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Der Seelenfänger

Titel: Der Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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erschöpft, Constantine«, sagte sie fürsorglich.
    »Aber mir geht es gut«, erwiderte Preacher.
    »Ich meine nicht bloß deine Stimme«, sagte sie. »Ich fand schon bei deiner Show letzten Sonntag, daß irgendwas fehlte. Ich hatte den Eindruck, du glaubst nicht mehr recht, was du sagst.«
    »Vielleicht brauche ich Urlaub«, lachte er mühsam.
    »Ich habe gerade mit Jane gesprochen«, sagte sie. »Ich dachte ja nicht, daß du abends um neun noch in deinem Büro sitzt. Sie sagt, die Kinder wissen schon gar nicht mehr, wie du aussiehst. Sie kennen dich bloß noch vom Fernsehen. Das ist nicht gut, Constantine. Die Kinder brauchen doch ihren Vater.«
    »Ich habe soviel zu tun, Mutter. Ich muß ja nicht nur die Show machen. Ich leite hier einen Betrieb, der Tag und Nacht überwacht werden muß. Wenn ich nicht aufpasse und alles im Griff habe, verliere ich sofort Zuschauer. Es gibt genug andere Fernsehkirchen.«
    »Woher weißt du denn überhaupt, ob das alles noch einen Sinn hat? Zählst du die Seelen, die du Gott bringst? Oder zählst du das Geld, das deine Sendungen einbringen?«
    Preacher gab keine Antwort.
    »Wann hast du das letzte Mal eine Predigt gehalten, ohne daß eine Kamera dabei war? Wann hast du das letzte Mal am Ausgang der Kirche gestanden und mit den Menschen über ihre Probleme geredet?«
    »Für so etwas habe ich keine Zeit, Mutter.«
    »Wahrscheinlich ist genau das dein Problem. Bei all diesen Fernsehdiskussionen höre ich immer dasselbe: Gespräch mit dem Bürger, Gespräch mit der Jugend, Gespräch mit den Menschen im Lande. Hast du dir eigentlich nie überlegt, daß du solche Gespräche brauchst? Daß sie dir etwas geben? Bei den Fernsehgottesdiensten kriegst du kein Echo, das muß dir doch klar sein.«
    »Wir kriegen jede Woche Tausende von Briefen, Mutter.«
    »Die liest du doch gar nicht«, sagte sie. »Die beantwortet euer Computer, hat Jane mir erzählt. Alles, was ihr über den Briefschreiber wißt, habt ihr eurem Computer einprogrammiert, damit die Antwort genau seinen Wünschen entspricht.«
    »Aber anders geht es doch nicht«, sagte Preacher. »Wir leben im elektronischen Zeitalter, Mutter. Da kann sich die Kirche nicht ausschließen.«
    »Gott braucht keinen Computer. Er kennt alle Seelen. Seinem Ruf bist du damals gefolgt, Constantine, keinem Computer. Nicht Gott hat die elektronische Kirche erfunden, sondern die Menschen.«
    Preacher schwieg.
    »Vielleicht fühlst du dich deshalb so müde und leer, Constantine. Vielleicht spürst du, daß du selbst immer mehr programmiert wirst und bald nicht mehr weißt, ob du Seelen zu Gott oder Schecks auf die Bank bringst.«
    Preacher sagte immer noch nichts.
    »Ich kenne dich doch«, sagte sie. »Ich wußte immer, ob du zufrieden warst oder unglücklich. Und jetzt weiß ich ganz sicher, daß du todunglücklich bist.«
    »Es wird schon wieder«, sagte er zögernd. »Mach dir keine Sorgen, Mutter.«
    »Du mußt einfach mal weg von alledem«, sagte sie. »Du mußt dich erholen von Churchland. Du mußt dich darauf besinnen, was du eigentlich willst.«
    »Aber es hat sich doch gar nichts geändert«, sagte er unsicher. »Ich will so vielen Menschen wie möglich die frohe Botschaft des Herrn bringen.«
    »Vielleicht liegt da schon der Fehler«, entgegnete sie. »Vielleicht solltest du nicht auf Quantität, sondern auf Qualität achten. Ich glaube, daß es für dich viel befriedigender wäre, wenn du einen einzelnen Menschen bei der Hand nehmen und zu Gott führen könntest. Das bringt doch viel mehr, als zu Tausenden von anonymen Fernsehzuschauern zu sprechen, die für dich kein Gesicht haben und die du nicht kennst.«
    »Vielleicht gibt es noch einen viel tieferen Grund, Mutter.«
    »Und der wäre?«
    »Ich zweifle an meinem Glauben. Ich frage mich, was für ein Gott das wohl ist, der all diese macht- und geldgierigen Männer in seinem Namen auftreten läßt. Männer, die sein Volk für ihre Zwecke mißbrauchen. Männer, die sich Christen nennen, und dabei das Ende der Welt vorbereiten.«
    »Diese Frage mußt du selber beantworten, mein Sohn«, sagte sie. »Ich bin deine Mutter, nicht dein Gewissen.«
    Siebtes Kapitel
    »Wir verlieren Zuschauer«, sagte Marcus Lincoln. »Arbitron hat festgestellt, daß wir allein im Dezember mehr als hunderttausend Zuschauer eingebüßt haben.«
    Preacher wandte sich Beverly zu. »Wie steht es denn mit den Kollekten?«
    »Die Eingänge sind geringfügig gesunken«, gab sie zurück. »Aber das hat nichts zu bedeuten. Der

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