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Der Seelenfänger

Titel: Der Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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daß es mir völlig egal ist, was Randle tut oder läßt?«
    Beverly schwieg.
    Preacher kehrte zum Schreibtisch zurück. »Ich habe diese Kirche gegründet, um Menschen zu Jesus zu bringen. Das ist mir gelungen. Und ganz egal, ob ich hier der Chef bin oder ob ich nicht mehr hier bin: Randle kann nichts tun, um das zu verhindern.«
    Achtes Kapitel
    Jane öffnete leise die Tür des Arbeitszimmers und steckte den Kopf durch die Tür. Er bemerkte es nicht, sondern brütete weiter über seinen Papieren. »Es ist schon beinah halb drei. Willst du überhaupt nicht mehr ins Bett kommen?«
    Preachers Kopf ruckte hoch. »Ich komme gleich«, sagte er. »Ich muß nur noch diese Media-Analyse durchlesen. Du weißt doch, die Vorstandssitzung.«
    Jane kam ins Zimmer, setzte sich in den Sessel und schlug die Beine übereinander. »Der Papst hat schon recht, daß er den katholischen Priestern die Ehe verbietet.«
    Preacher legte seine Statistik beiseite. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Ach, ich habe nur darüber nachgedacht, wie wir leben«, sagte sie. »Es ist offensichtlich nicht möglich, daß du gleichzeitig Familienvater und Seelsorger bist. Dafür langt die Zeit einfach nicht. Du mußt Prioritäten setzen, und inzwischen weiß ich, wo die Prioritäten bei dir liegen.«
    »Du weißt doch, wieviel ich arbeiten muß«, sagte er.
    »Ja, ich weiß«, sagte sie.
    »Und weniger wird es auch nicht«, sagte er. »Es wird alles immer komplizierter und schwieriger.«
    »Und wir haben immer weniger Zeit füreinander«, sagte sie. »Früher haben wir wenigstens gelegentlich einen Abend mitein-ander verbracht. Jetzt gibt es das kaum noch. In den letzten drei oder vier Monaten haben wir bloß ein einziges Mal zusammen gegessen.«
    Preacher gab keine Antwort.
    »Wann wir das letzte Mal miteinander geschlafen haben, kann ich schon gar nicht mehr sagen«, ergänzte sie bitter. »Ich war zwar nicht so naiv zu glauben, daß sich das Feuer unserer ersten Tage und Wochen bis in alle Ewigkeit fortsetzen würde, aber ich hatte doch gedacht, die Funken würden nie ganz erlöschen. Ich frage mich manchmal, ob du mich nicht langweilig und andere attraktiver findest.«
    »Unsinn«, wehrte er ab. »Du bist noch genauso reizvoll wie immer. Aber ich bin kein Romeo mehr. Ich werde bald zweiundvierzig, und in diesem Alter ist man eben nicht mehr so leidenschaftlich wie früher.«
    »Es liegt nicht am Alter«, sagte sie. »Es liegt an der Arbeit. Da verausgabst du dich.«
    »Vielleicht«, sagte er.
    »Ich halte das nicht mehr aus«, sagte sie, und plötzlich liefen ihr Tränen über das Gesicht. »Ich habe mich völlig verändert. Hast du eigentlich schon mal überlegt, wie ich lebe? Ich kann nachts nicht mehr einschlafen. Mal nehme ich Pillen, mal rauche ich einen Joint oder zwei und warte, bis ich zu phantasieren beginne. Dann masturbiere ich, bis ich völlig erschöpft bin.«
    »Das tut mir leid«, sagte er. »Ich wußte ja nicht -«
    Ärgerlich stand sie auf. »Natürlich wußtest du nichts. Wie solltest du auch, wenn du nur noch an deine Arbeit denkst? Alles andere ist dir doch völlig egal.«
    Sie riß sich den Bademantel herunter und warf ihn über den Tisch. Ihr schlanker Körper glänzte im Licht. »Schau her!« sagte sie. »Schau mich doch an! Es hat sich nichts geändert. Ich bin nicht von einem Tag auf den anderen alt und häßlich geworden.«
    »Nein«, sagte er. »Du bist schön.«
    »Du bist schön«, wiederholte sie höhnisch. »Wenn hier eine andere Frau stünde, Mr. Talbot, wenn sich eine andere Frau vor Ihren Augen ausgezogen hätte, Mr. Talbot, würden Sie dann auch noch hinter Ihrem verdammten Schreibtisch hocken und sagen: >Du bist schön    Schweigend stand er auf, nahm den Bademantel vom Tisch und legte ihn seiner Frau um die Schultern.
    Sie drehte sich ruckartig um, und der Frotteemantel fiel auf den Boden. »Faß mich nicht an!« fauchte sie. »Ein Beruhigungsfick wäre das letzte, was ich jetzt will!«
    Sie ging zur Tür und drehte sich erst wieder um, als sie die Klinke bereits in der Hand hielt. »Du hattest schon recht«, sagte sie kalt. »Ich war dumm. Ich hätte die Abtreibung machen lassen sollen, als du es wolltest.«
    Die Tür schlug hinter ihr zu. Preacher war wieder allein. Mechanisch bückte er sich, um den Mantel aufzuheben. Der Frotteestoff verströmte den Duft von Parfüm. Er warf ihn auf einen der Sessel, setzte sich wieder hinter den Schreibtisch und starrte ins Leere. Schließlich faltete er seine Hände und

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