Der Seelenhändler
in der die Venezianer gefangen gehalten wurden. Allerdings standen keine Wachen davor.
Was ihn jedoch seltsam berührte, war die für ein Lagerleben unnatürliche Stille, die auf dem Plateau herrschte. Die obskuren Gestalten, die um die Feuer herumknieten, waren allesamt hellwach, und dennoch in Schweigen erstarrt. Erwartungsvoll sahen sie in Richtung Hohlweg.
„Sie blicken genau zu uns herüber“, flüsterte Helfrich.
Wolf nickte nur und beobachtete im selben Moment, wie einer der Banditen an einem der vordersten Feuer – es befand sich etwa vierzig Schritt entfernt – seinem Komplizen etwas zuflüsterte, woraufhin auch einige der anderen sich bewegten. Schließlich deutete einer mit der Hand in Richtung des Hohlwegs. Einige nickten daraufhin, andere schüttelten den Kopf.
Wolf begriff. Das Gesindel wartete darauf, dass endlich etwas geschah. Dass „Prior“ und „Abt“ so lange fernblieben, irritierte sie offensichtlich.
Es war an der Zeit, das Possenspiel zu beenden.
„Lasst es uns angehen, Hauptmann. Ihr wisst, was Ihr zu tun habt?“, vergewisserte sich Wolf wispernd.
„Jawohl, Herr! Sobald die Brut vor Euch auf der Erde liegt, gebe ich das Zeichen zum Sturm“, wisperte Helfrich zurück.
Wolf nickte. „Und denkt daran. Kein Geschrei, kein überflüssiges Lärmen!“
„Verlasst Euch drauf – wir kommen über sie wie ein Adler über die Lämmerherde. Ehe sie sich’s versehen, liegen sie mit Stricken umwickelt am Boden“, grinste Kuno.
„Euer Wort in Gottes Ohr“, murmelte Wolf. Nochmals sandte er einen langen Blick auf das von flackernden Lichtern erfüllte Plateau. Dabei stellte er fest, dass in die Schatten, die um die Feuer lagerten, zunehmend Bewegung zu kommen schien; kein Zweifel: die Männer wurden unruhig. Eine neuerliche Bö wehte dumpfes Murmeln herüber.
Es war wie ein Signal.
Wolf griff die Fackel, zwang sich zur Ruhe und schritt dann bedächtig durch den Spalt.
Das Murmeln erstarb. Die Männer erstarrten.
Das Erste, was ihm auffiel, waren die versteinerten Gesichter, über die der zuckende Schein der Feuer huschte. Der Anblick der weißen Gestalt mit der silbernen Maske schien gleichermaßen Furcht und Erwartung, Bewunderung und Entsetzen in sie hineingemeißelt zu haben.
Unvermittelt blieb er stehen.
Aufmerksam musterte er die groteske Versammlung der am Boden knienden Männer.
Das also war der „Orden vom Ring“! Jene Bande aus Marodeuren, Dieben, Mördern und anderem landesschädlichen Gesindel, das in den letzten Jahren Angst und Entsetzen verbreitet hatte und nun selbst vor Furcht zu vergehen schien!
Welche Macht sich doch mit ein wenig Mummenschanz und ein paar simplen Tricks erringen ließ, dachte Wolf und spürte fast körperlich die suggestive Wirkung, die von der Maskerade ausging, in der er steckte.
Er trat einige weitere Schritte nach vorn und hielt dann abermals inne. Es war an der Zeit, zu den Männern zu sprechen.
Dumpf und hohl klang seine Stimme hinter der Maske hervor: „Ihr wisst, dass auch heute wieder ein besonderer Tag ist. Ein Tag, der dem Orden zur Ehre und euch zur Freude gereichen wird“, setzte er an und versuchte, die geschwollenen Worte und den schwülstigen Redestil von „Abt“ und „Prior“ nachzuahmen, über den ihn sowohl der Fuhrmann als auch Heiner ausführlich in Kenntnis gesetzt hatten.
„Matthis, Engelbert und Martin Poetsch, tretet her zu mir“, fuhr er fort.
Ein Raunen ging durch die Reihen der Schnapphähne.
Die Genannten traten langsam nach vorne – Wolf blickte in die ungläubigen, vor Angst starren Gesichter der drei Männer. Einer von ihnen, Martin Poetsch, den er bisher noch nicht gekannt hatte, zitterte wie Espenlaub.
Wieder wandte sich Wolf an die vor ihm Knienden; gebieterisch fuhr seine Linke vor und zeigte nach unten. „Und nun, huldigt eurem Gebieter. Werft euch flach auf den Boden und breitet die Hände aus!“, befahl er laut. „Ihr bleibt bei mir stehen“, raunte er Matthis und den beiden Poetsch-Brüdern leise zu.
Die Männer an den Feuern gehorchten augenblicklich. Sie warfen sich platt auf die Erde und breiteten die Hände aus, während Matthis und die beiden Fuhrmänner vor Furcht gelähmt stehen blieben.
Wolf drehte sich um. Die dunkle Öffnung des Hohlwegs gähnte ihm entgegen. Gleich musste der Graf mit seinen Männern erscheinen. Doch noch war nichts von ihnen zu sehen! Wo blieb der Saurauer? Hatte Helfrich etwa vergessen, ihm das Zeichen zu geben? Heftig schwenkte Wolf einige Male
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