Der Seelenhändler
seltsam, das alles. Aber vielleicht klärt sich die Sache ja trotzdem noch auf. Und dieser verfluchte Prior geht uns doch noch ins Netz.“
„Ich glaub’s nich’. Nie und nimmer. – Aber warten wir’s ab. Hauptsache, wir können in fünf Tagen von hier wieder verschwinden. Dann ist nämlich Donnerstag. Und am Tag drauf, am Freitag, bin ich mit Marie verabredet – du verstehst schon …“
„Du meinst die Tochter vom Bäcker Arnold. Weißt du eigentlich, dass du sie mit einem Admonter Mönch teilst?“
„Na, wenn schon – so lernt sie von jedem etwas.“
Die Männer lachten obszön, während der Dicke sich anschickte, die Becher erneut zu füllen. Doch der Hagere verwehrte es ihm.
„Nein, Dicker, lass genug sein. Wenn uns das Zeug zu Kopf steigt und der Hauptmann was merkt, kriegen wir Ärger. Du weißt, da versteht er keinen Spaß. Heut Abend machen wir weiter. Bei einem schönen Spielchen läuft der Tropfen runter wie Öl. Außerdem ist’s ohnehin Zeit, zu den anderen zu gehen. Fendrich hat ’ne Lagebesprechung angeordnet.“
„Na gut, dann lass uns gehen“, brummte der Dicke.
Und weil kein Mensch weiß, wer er is’, kann man nich’ mal nach ihm suchen.
Die Worte des Dicken klangen ihm noch in den Ohren. Soeben hatten die beiden Waffenknechte die Höhle verlassen, ohne die Tür hinter sich zu schließen, sodass das Licht des Nachmittags noch immer als breiter Streifen in die felsige Kammer fiel.
Er fühlte sich unendlich erleichtert.
Noch in den Morgenstunden war er davon ausgegangen, dass der Steyrer vor seinem Tod alles gestanden und damit auch seine Identität preisgegeben hätte. Jetzt aber hatte er erfahren, dass dem nicht so war. Offenbar war es dem Schmelzer gerade noch rechtzeitig gelungen, sich dem Verhör zu entziehen. Dass er dies um den Preis des eigenen Lebens getan und den Freitod gewählt hatte, jagte ihm allerdings einen Schauer über den Rücken. Trotzdem veränderte dieser Umstand natürlich die Situation zu seinen Gunsten. Vor allem versetzte er ihn in die Lage, vorerst in aller Ruhe nach Admont zurückkehren zu können. In den nächsten Wochen würde er dann immer noch genügend Zeit haben, um nach und nach das gesamte Vermögen in Sicherheit zu bringen, das in der Höhle in Kisten ruhte. Und anschließend würde er sich einen Plan zurechtlegen, mittels dessen er, ohne Argwohn zu erwecken, endlich sein Verschwinden in die Wege leiten konnte.
Der Gedanke daran ließ ein triumphierendes Lächeln auf sein Gesicht treten.
Stunden später, kurz vor Mitternacht und weit entfernt von der Stelle, an der der Hohlweg zum Plateau hin abbog, teilte sich leise raschelnd einer jener Büsche, die, an den Fels geschmiegt, unzählige Löcher und Spalten verbargen, und heraus trat ein Mann im schwarzen Habit des Benediktinerordens.
Ein verschnürtes Bündel auf dem Rücken und einen Stab in den Händen, betrat er den Pfad, der in eine der vielen Senken hinunterführte.
Der Mönch schritt recht zügig voran. Ein gewaltiges Stück Weges lag vor ihm. Er plante, am Sonntag um Non herum in Admont zu sein. Allein bis er das gerodete Waldstück erreichte, auf dem sich eine Hütte und der kleine Pferch befanden, in dem sein Pferd auf ihn wartete, würden einige Stunden vergehen.
Während er den Pfad bergab schritt, dachte er über den Einschnitt nach, den sein Leben in der vergangenen Nacht erfahren hatte. Und darüber, wie viele Einschnitte in sein Dasein es bereits gegeben hatte. Der gravierendste war ohne Zweifel der Zwist mit seinem Vater gewesen, der ihn sein Erbe gekostet hatte. Einfluss, Macht und Reichtum, über die er bis zu diesem Zeitpunkt verfügt hatte, waren mit einem Mal dahin gewesen. Kurz danach war er in einer Aufwallung von Frömmigkeit zu dem Entschluss gelangt, das Leben eines Mönchs führen zu wollen. Nach dem Noviziat hatte er dann im Benediktinerstift zu Seckau die endliche und schließlich die ewige Profess abgelegt und dort längere Zeit dem Herrn gedient, bevor er vor acht Jahren nach Admont gekommen war.
Dort aber war ihm allmählich bewusst geworden, dass das mönchische Dasein, das er führte, ihn immer weniger befriedigte. Das Verlangen, wie früher Macht, Einfluss und Luxus genießen zu wollen, etwas, das er vor vielen Jahren überwunden geglaubt hatte, kehrte mit elementarer Wucht zurück.
Es war der jahrelange, immer enger gewordene Kontakt zu Jakob von Schmelzer, der ihn schließlich veranlasste, seinem Leben eine Wende zu geben, um dieses Verlangen zu
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