Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
Vom Netzwerk:
befriedigen. Der zündende Funke sprang über, als ihm der Steyrer eines Tages einen Plan schmackhaft machte, mittels dessen man gewisse Ziele würde erreichen können, die sich beiden als äußerst lohnenswert darstellten. Es war der Tag, an dem die Idee des „Ordens vom Ring“ geboren wurde. Nur wenig später begannen sie diesen gemeinsam aus der Taufe zu heben – mit dem Überfall auf einen ungarischen Kaufmannszug, der sehr erfolgreich verlief.
    Plötzlich hielt er mitten im Gehen inne.
    Ihm war soeben eingefallen, dass es heute auf den Tag genau vier Jahre her war.
    Und ausgerechnet heute war alles zu Ende gegangen. Zufall? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht, und es steckte mehr dahinter! Eine unsichtbare Macht, die es auf ihn abgesehen hatte?!
    Unwillkürlich blickte er zum Himmel empor. Kalt und spärlich leuchtete das unregelmäßige Halbrund des Mondes den Pfad vor ihm aus.
    Obwohl es lau war, begann er auf einmal zu frieren.
    Schneller ausschreitend, ging er weiter.

30
    Ihm war, als habe ihn ein Hieb ihn aus dem Schlaf gerissen. Ruckartig richtete er sich auf und horchte angespannt auf den Gang hinaus. Da – wieder dieses Knarren. Obwohl es nur leise an sein Ohr drang, verlieh ihm die nächtliche Stille eine eigenartige Intensität. Etwas von der Gewalt eines Paukenschlags schien darin zu liegen.
    Mit einer Behändigkeit, die seinen jugendlichen Schülern alle Ehre gemacht hätte, sprang Bruder Vitus vom Lager.
    Barfuß, auf Zehenspitzen, schlich der Schulmeister zur Tür. Wieder horchte er. Er öffnete die Tür einen Spalt weit und blickte auf den Gang hinaus. Nichts schien das gewohnte Bild zu stören. In ihren Haltern an der Wand steckten wie immer zwei dicke, vor sich hin flackernde Talgkerzen. Und auch heute konnte sich Vitus des Eindrucks nicht erwehren, dass sie mehr rußten als leuchteten.
    Vorsichtig trat er hinaus, nicht ohne sich vorher zu vergewissern, dass der kurze Knüppel auch wirklich in seinem Gürtel steckte. Leise zog er die Zellentür hinter sich zu, blieb ein weiteres Mal stehen und lauschte konzentriert in die Nacht hinein. Da, das Knarren – jetzt hörte es wieder. Deutlicher diesmal. Es schien vom Treppenhaus her zu kommen, und es entfernte sich. Kein Zweifel – jemand schlich die Stiegen hinunter. Einer der Schüler hatte das Dormitorium verlassen. Zorn brandete in dem Schulmeister hoch. Wer auch immer es war, der da glaubte, die Regeln verletzen zu können, es würde ihm nicht gut bekommen.
    Vitus eilte den Flur entlang, wobei er darauf achtete, möglichst kein Geräusch zu verursachen. Am Ende des Ganges lag das Treppenhaus. Dort angekommen, blieb Vitus abermals stehen, um zu horchen. Plötzlich vernahm er das Quietschen der sich öffnenden Haustür, die auf den Hof hinaus ging. Weiter hastete Vitus die hölzernen Stiegen hinunter, wieder knarrte es, diesmal allerdings war er selbst der Verursacher des Geräusches. Doch der Übeltäter würde es nicht wahrnehmen, dem Quietschen nach zu schließen, hatte er das Gebäude bereits verlassen. Vitus hoffte inständig, ihn dennoch zu erwischen.
    Soeben stand er im Begriff, die letzte Treppe zur Eingangshalle hinunterzuhasten, um in den Hof hinauszustürzen, da vernahm er plötzlich das Gemurmel von Stimmen. Abrupt hielt Vitus inne. Zum Glück waren einige der Kerzen in diesem Bereich des Treppenhauses schon heruntergebrannt. Und so blieb der Mönch im Finstern auf der Treppe stehen und versuchte zu sondieren, woher die Stimmen kamen. Vitus verfügte noch immer über scharfe Augen und ein hervorragendes Gehör. Als er nach unten blickte, erkannte er trotz der Dunkelheit, dass die Haustür einen winzigen Spalt offen stand. Draußen, unmittelbar vor dem Hauseingang, unterhielten sich zwei Personen unbekümmert miteinander. Vitus’ Empörung wuchs; er überlegte. Hinter der Tür verborgen, würde er herausfinden können, wer die Regeln des Hauses auf diese unverschämte Weise brach.
    Gerade wollte er zu diesem Zweck die restlichen Stufen hinunterschleichen, als ihm plötzlich einfiel, dass die Stiegen, die vor ihm lagen, ausgerechnet die waren, die am lautesten knarrten. Man würde das Knarzen bis nach draußen hören. Wieder überlegte Vitus. Es gab nur eine Möglichkeit, nach unten zu gelangen, ohne dabei verdächtige Geräusche zu verursachen. Er zögerte nur kurz. Dann schwang er sich entschlossen aufs Geländer. Mühelos rutschte er auf dem glatten Handlauf bäuchlings bis zum Erdgeschoss hinunter und schlich sich

Weitere Kostenlose Bücher