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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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dieser Mann bewerkstelligt hatte, ihnen auf die Spur zu kommen, war ihm nach wie vor ein Rätsel, doch er hatte es mittlerweile aufgegeben, darüber nachzugrübeln – es spielte letztlich keine Rolle mehr. Jetzt hatte er nur noch ein Ziel: endlich von diesem verdammten Plateau zu verschwinden und sich in Sicherheit zu bringen. Natürlich nicht, ohne wenigstens einige der im Laufe der Jahre sauer verdienten Früchte seiner Arbeit mitzunehmen, die sich in mehreren Kisten verwahrt an sicherer Stelle befanden – nämlich hier, in dieser Höhle, die niemand außer ihm kannte und die er sogar vor den Augen des Steyrers verborgen gehalten hatte.
    Noch in der vergangenen Nacht, gleich nach seiner Flucht, hatte er sich hierher abgesetzt. Zum Glück war es ihm gelungen, die Täuschung, der er zum Opfer fallen sollte, schnell zu durchschauen.
    Als er nämlich vom Plateau, wo die Männer auf das Erscheinen des Abtes warteten, in den Hohlweg zurückgekehrt war, um diesen zu holen, hatte er sofort gefühlt, dass irgendetwas nicht stimmte. Zuerst hatte er nicht zu sagen vermocht, was genau es war, das ihn beunruhigte. Dann aber, mit einem Mal, wurde ihm siedend heiß bewusst, dass die Person, die sich hinter der Maskerade des weißen Abtes verbarg, nie und nimmer der Schmelzer sein konnte. Zum einen war es die Art, wie sich die Gestalt bewegte, die ihn stutzig machte, zum anderen das eigenartige Schuhwerk, das unter der weißen Kutte hervorragte. Schmelzer trug stets schwarze, glänzende, elegante Stiefel, während die plumpen Stiefel desjenigen, der sich ihm im Licht der gleißenden Fackel näherte, ein stumpfes Hellbraun aufwiesen. Augenblicke später verdichteten das Klatschen mehrerer Stiefelpaare und der Schein heranstürmender Fackeln seinen Verdacht zur endgültigen Gewissheit.
    Rasch schleuderte er dem falschen Abt die Fackel gegen die Maske und nutzte dann den Überraschungsmoment, um zur Höhle hinüberzurennen, zu der nur er und der Gebieter Zutritt hatten. Die Tür war nur angelehnt gewesen, und der Schlüssel steckte noch von innen, also hatte er sich kurzerhand eingeschlossen. Trotz des Dunkels bewegte er sich mit traumwandlerischer Sicherheit, was daher rührte, dass er jede Hand breit der Höhle wie seine Gürteltasche kannte. In der Mitte des felsigen Raumes stand ein Tisch, der von zwei aus porösem Sandstein bestehenden Steinquadern flankiert war. Ächzend hatte er einen von ihnen zur Seite geschoben, worauf ein Loch im Boden zum Vorschein gekommen war, dessen Durchmesser deutlich kleiner war als der des Steins, der es verschlossen hielt. Rasch zwängte er sich durch die schmale Öffnung in eine unter dem Höhlenboden befindliche Felsröhre; nur Kopf und Schul-tern ragten noch aus dem Loch. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen den Quader und schob ihn mit knirschenden Geräuschen Stück für Stück wieder über die Öffnung. Danach war er durch das unterirdische Höhlenlabyrinth gelaufen. Da es dunkel war, musste er seine Schritte zählen, um nach mehreren Windungen und abknickenden Gängen in eine Art Kammer zu gelangen, von der aus verschiedene Gänge in unterschiedliche Richtungen führten. Als sich einer der Gänge schließlich zu einer Höhle weitete, von deren Ende her ihn ein Luftzug und das verhaltene Rauschen des Wildbaches erreichten, wusste er, dass er am Ziel angekommen und in Sicherheit war.
    Vor Jahren schon hatte er die Höhle durch Zufall entdeckt. Doch er hatte ihre Entdeckung für sich behalten. Es war ein angenehmes Gefühl, sich im Besitz eines geheimen Versteckes zu wissen, von dem niemand sonst etwas wusste. Und in der vergangenen Nacht hatte ihm dieser Schlupfwinkel nun zumindest vorläufig das Leben gerettet.
    Der Mann stand auf.
    Er hatte sich entschlossen, die Lage zu sondieren, soweit dies möglich war. Das konnte er jedoch nur, wenn er es irgendwie schaffte, den Hohlweg oder das Plateau einzusehen.
    Zielstrebig trat er an ein Regal heran, das an der Felswand lehnte, und entnahm ihm zwei Pechfackeln. Die eine steckte er in den Gürtel, die andere entzündete er sofort.
    Sie würde es ihm ermöglichen, ohne im Dunkeln seine Schritte zählen zu müssen, dorthin zurückzukehren, von wo er vergangene Nacht gekommen war – in die Höhle am Hohlweg.
    Mühsam nur unterdrückte er einen Fluch.
    Er war mittlerweile unter der Höhle angekommen, musste jedoch erschrocken feststellen, dass durch die Risse und Spalten der Decke über seinem Haupt ein heller Lichtschimmer fiel. Offensichtlich

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