Der Seelenhändler
Plateaus, hatten sie die Höhle im Hohlweg, deren Betreten den Mitgliedern des Or-dens bei Todesstrafe verboten war, erfolglos untersucht. Jetzt, nachdem sie weitere Winkel und Höhlen durchforstet hatten, ohne auch nur den geringsten Hinweis zu finden, konnten sie nur noch eines tun: einen Wachtrupp zurücklassen, der die nächsten Tage sowohl das Plateau als auch den Hohlweg im Auge behalten würde. Darüber hinaus, so hatten der Graf, der Hallstatter und Wolf beschlossen, würde man in vier bis fünf Tagen erneut eine größere Anzahl Soldaten und Hilfskräfte mit Saumtieren zum Plateau entsenden, um die geraubten Gegenstände und das Geld in Sicherheit zu bringen, das den Venezianern gehörte. Was den Rest der Beute anging, die in der riesigen Höhle gehortet wurde, würden weitere Expeditionen erforderlich sein, um sie zu bergen.
Die Sonne stand bereits im Zenit, als sich die Schlange aus Tierund Menschenleibern endlich in Bewegung setzte. Sie hatten entschieden, einige der Mulis mitzunehmen, insgesamt zehn an der Zahl. Die anderen vier sollten bei der Wachmannschaft zurückbleiben. Friedrich von Saurau führte den Zug mit einigen Soldaten an. Ihnen folgten die an den Händen gefesselten und mittels Stricken miteinander verbundenen Gefangenen, denen wiederum weitere Soldaten folgten. Wolf, der Hallstatter, die drei Venezianer und die beiden Poetsch-Brüder bildeten den Schluss des Trecks. Neun der insgesamt neununddreißig Waffenknechte blieben als Wachtrupp zurück. Ebenso acht weitere, die bei den Kampfhandlungen verletzt worden waren und der Ruhe bedurften. Darunter waren auch zwei Schwerverletzte, die unter starken Schmerzen litten; ob sie durchkommen würden oder nicht, würden die nächsten Tage zeigen. Bis jetzt allerdings hatten die Gallensteiner, im Gegensatz zu den Schnapphähnen, keine Toten zu beklagen, was fast an ein Wunder grenzte.
Wolf wartete in einiger Entfernung zum Hohlweg, bis der letzte Mann des Trupps in dem dunklen Spalt verschwunden war. Bevor er der Karawane folgte, hob er noch die Hand, um sich von den zurückbleibenden Männern zu verabschieden, und blickte ein weiteres Mal zum Rand des Plateaus hinüber. In diesem Augenblick löste sich aus dem Schatten der Felswand ein Mauersegler. Wie ein schmalflügeliger, sichelförmiger Pfeil glitt er in einem eleganten Bogen über den fast kreisrunden felsigen Platz, drehte über dem daran angrenzenden Abgrund einige turbulente Runden und stürzte mit rasantem Schwung in die Tiefe.
Wolf sah ihm gedankenverloren nach. Dann glitt auch er in den Schatten des Hohlwegs.
29
In der schroffen Felswand, die steil zum Wildbach hinunterstürzte, befand sich, tief unterhalb der Stelle, von der aus Jakob von Schmelzer in den Tod gesprungen war, eine geräumige Höhle.
Dort, wo sie sich zum Abgrund hin öffnete, kauerte auf einem Felsvorsprung, der eine natürliche steinerne Brüstung bildete, ein Mann.
Er hatte die Nacht in einige moderige Decken und Schaffelle gewickelt verbracht, die ihn gegen die feuchte Kühle und die Zugluft schützten, welche die Höhle nicht gerade zu einem komfortablen Ruheort für einen Mann in den späten Vierzigern machten.
Zwar war es ihm mittels ihrer Hilfe gelungen, sich einigermaßen warm zu halten, dennoch hatte er kein Auge zugemacht. Schon als der Morgen graute, hatte er sich von seinem provisorischen Lager erhoben und sich auf die steinerne Brüstung gesetzt.
Noch immer war er von kalter Wut und ohnmächtigem Zorn erfüllt. Wie oft hatte er seinem Partner klarzumachen versucht, dass sie diesen elenden Bastard, Wolf von der Klause, beseitigen muss-ten. Aber der verdammte Steyrer hatte nicht auf ihn gehört – und dafür mit seinem Leben bezahlt.
Als vor wenigen Stunden plötzlich der schwarze, sich drehende Körper eines Mannes mit gespreizten Armen und Beinen und einem irren Lachen an ihm vorbei in den Schlund gestürzt war, war er zuerst zu Tode erschrocken aufgesprungen. Obwohl der Schmelzer blitzartig an ihm vorüber war, hatte er für die Dauer eines Lidschlags doch dessen seltsam verzerrtes Gesicht wahrgenommen. Der Schreck war ihm so sehr in die Knochen gefahren, dass er unwillkürlich in die Tiefe der Höhle geflüchtet war. Es hatte eine Weile gedauert, bis er sich wieder gefasst und zu seiner ursprünglichen Kaltblütigkeit zurückgefunden hatte.
Dass es Wolf von der Klause tatsächlich gelingen würde, sie zu überlisten und dem Orden den Garaus zu machen, damit hatte er nicht gerechnet. Wie es
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