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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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gekommen, als Katharina auch schon aus dem Sattel sprang und auf den Mönch zueilte.
    „Es ist also wahr?“, stieß sie tonlos hervor.
    Metschacher nickte; in seinen Augen flackerte dumpfe Verzweiflung.
    „Das mit Bruder Vitus, wann ist das geschehen – und seit wann ist Bertram verschwunden?“
    „Man fand seine Leiche heute Vormittag, etwa um die vierte Stunde herum. In einem ausgedienten Brunnenschacht bei den Ställen. Er wurde erstochen“, antwortete Metschacher mit der Stimme eines Greises. „Was Bertram angeht …“ – er machte eine unheilschwangere Pause – „… erhofften wir eigentlich von Euch Näheres zu erfahren, gnädiges Fräulein.“
    In Katharinas aufgelöster Miene mischte sich Erstaunen.
    „Von mir?“
    „Ja. Wart Ihr nicht heute Morgen noch mit ihm zusammen?“
    „Ich? Nein, wie kommt Ihr darauf? Ich bin heute zwischen Prim und Terz nach Altenmarkt geritten.“
    „Einer von Bertrams Klassengefährten aus der äußeren Schule behauptete, Bertram habe sich mit Euch getroffen, weil Ihr ihm die Abschrift eines lateinischen Gedichtes geben wolltet.“
    Katharina nickte verstehend. „Das ist richtig, ich wollte mich deswegen mit ihm treffen. Aber gestern Abend habe ich ihm ausrichten lassen, dass ich unser Treffen verschieben muss. Wahrscheinlich hat Bertram mit seinem Kameraden gesprochen, bevor er von der Verschiebung Kenntnis hatte. Seit wann ist er denn verschwunden?“
    Metschacher rieb sich am Kinn.
    „Nun – so genau lässt sich das nicht sagen. Der Letzte, der mit ihm sprach, war anscheinend der Pförtner. Er sagte, Bertram sei kurz nach dem Morgenmahl zu ihm gekommen und habe ihn nach dem Weg zu den toten Meilern gefragt. Er habe ihm den Weg beschrieben, danach sei er wieder in den Hof zurückgegangen. Beim Gottesdienst zum Hochamt war der Junge, im Gegensatz zu seinen Kameraden, jedenfalls nicht anwesend. Seitdem wird er vermisst.“
    „Wann ging Bertram zum Pförtner, um ihn das zu fragen; bevor man Bruder Vitus fand oder danach?“, hakte Katharina nach.
    „Davor.“
    „Wenn er danach einfach verschwand, dann heißt das ja wohl, dass ihn niemand das Klostergelände verlassen sah. War die Pforte immer besetzt?“
    „Ich glaube nicht. Zumindest nicht während des Aufruhrs, der hier herrschte, als man Bruder Vitus fand.“
    „Der Pförtner sagte, Bertram habe sich, nachdem er sich beim ihm nach dem Weg erkundigte, wieder in den Hof zurückbegeben?“
    „Ja.“
    „Das bedeutet, der Junge hat die Aufregung, die kurz darauf entstand, dazu genutzt, unbemerkt das Stiftsgelände zu verlassen. Just zu dem Zeitpunkt, da die Pforte unbesetzt war. Es sei denn, er hätte einen anderen Weg gewählt. Gibt es einen solchen?“
    Metschacher zögerte. „Wenn, dann höchstens den über die Mauer“, meinte er.
    „Herr Prior, was hat es eigentlich mit diesen toten Meilern auf sich?“
    „Nun, es gibt da eine Stelle abseits des Weges nach Johnsbach. Mitten im Wald. Dort befinden sich einige ausgediente Grubenmeiler. Sie wurden schon vor vielen Jahren aufgegeben.“
    „Eigenartig. Was könnte der Junge dort wollen?“
    Metschacher zuckte mit den Schultern. „Fragt mich etwas Leichteres, edles Fräulein“, seufzte er. „Aber nun entschuldigt mich, ich muss zum Kapitel“, brach er das Gespräch unvermittelt ab. „Ach, übrigens, ich habe einen Boten nach Sankt Gallen gesandt, um nach Herrn von der Klause zu schicken; vielleicht ist er ja inzwischen von seiner Expedition nach Windischgarsten zurückgekehrt. Es bleibt nur zu hoffen, dass ihm dort Erfolg beschieden war. Sollte er tatsächlich noch eintreffen, bitte ich Euch, die Informationen, die ich Euch übermittelt habe, an ihn weiterzureichen. Und sagt ihm, ich werde ihn erst am späten Abend empfangen können.“
    Langsam führte Katharina den Fuchs beim Halfter zu den Ställen hinüber. Sie versuchte, den Aufruhr in ihrem Inneren niederzukämpfen und nachzudenken. Ihre Unruhe war nicht so sehr auf das Entsetzen zurückzuführen, das sie wegen des Schulmeisters Tod empfand. Gewiss, sie hatte den intelligenten, nachsichtigen Lehrer gemocht und empfand aufrichtige Trauer über sein Ableben. Mehr bewegte sie jedoch, dass Bertram verschwunden war. Was war mit ihm geschehen? In welchem Zusammenhang stand sein Verschwinden mit dem Mord an Bruder Vitus? Obwohl Metschacher nichts dergleichen gesagt hatte, wurde sie das Gefühl nicht los, dass man im Stift an einen solchen Zusammenhang glaubte.
    Katharina verhielt ihren Schritt.
    Die

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