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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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toten Meiler. Was wollte Bertram dort? Sie hatten ihm eingebläut, die Mauern des Klosters nicht zu verlassen. Warum hatte er es dennoch getan?
    Weil ihn jemand fortgelockt hatte! Mit was auch immer.
    Die Erkenntnis traf sie wie ein Keulenschlag, und sie merkte, wie Panik sie zu überwältigen drohte.
    Was aber konnte sie tun? Warten, bis Wolf kam?
    Was, wenn er nicht sofort kommen konnte?
    Sie musste es selbst tun!
    Erneut schwang sie sich auf den Rücken des Fuchses, trabte langsam zurück zum Tor und sah sich suchend nach jemandem um, der ihr Auskunft darüber erteilen konnte, wie man zu diesen verdammten Meilern gelangte.
    Da entdeckte sie Bruder Heinrich. Jenen Bruder des Gehorsams, auf dessen Karren sie das Leinen mit dem Wappen des Ebers entdeckt hatte.
    „Verzeiht, Bruder Heinrich, aber könnt Ihr mir vielleicht den Weg zu den toten Meilern verraten?“
    Ein Lächeln der Erinnerung huschte über die Miene des Mannes.
    „Natürlich. Immer zu Euren Diensten, edle Dame.“
    Nur wenige Augenblicke später preschte Katharina zum oberen Tor hinaus in Richtung Johnsbach.
    Gut eine Stunde danach – der Weg war inzwischen deutlich steiler und der Fuchs beträchtlich langsamer geworden – sah sie ihn. Ein ziemliches Stück vor ihr stapfte Bertram mit kräftigen Schritten den Berg hinauf. Eine Last fiel von ihr ab; angespornt durch den Anblick des Jungen, gab sie dem Fuchs die Fersen.
    Kaum dass er das Klappern von Hufen vernahm, blickte sich Bertram um – und erstarrte.
    Schnell war sie heran und sprang erleichtert aus dem Sattel.
    „Eigentlich müsstest du wissen, dass du im Begriff bist, eine große Dummheit zu begehen, mein Junge“, sagte sie ernst, aber ruhig.
    „Oh! – Katharina – Ihr hier?“, fragte Bertram verblüfft. Tiefe Röte überzog sein Gesicht und ließ vermuten, dass er sich wegen seines unerlaubten Verschwindens schämte.
    „Ja, ich hier! Und du kannst von Glück sagen, dass es so ist“, bemerkte Katharina trocken; sie spürte, wie sich Ärger in ihre Erleichterung mischte.
    „Ich … ich will … ich bin …“, begann Bertram verlegen herumzudrucksen.
    „Du willst zu den toten Meilern, nicht wahr?“
    „Wo…woher wisst Ihr das?“, fragte der Junge erstaunt.
    „Es war kein Kunststück, das herauszubekommen. Du hast schließlich den Pförtner danach gefragt.“
    „Ach ja … richtig“, bestätigte Bertram; die Röte in seinem Gesicht wurde zusehends dunkler.
    „Hatten wir dich nicht dringend darum gebeten, die Mauern vorerst nicht zu verlassen?“, fragte Katharina in scharfem Ton.
    „Ja. Schon … Aber … aber …“, entgegnete der Junge hilflos.
    „Was aber?“
    „Es ist … es geht um eine wichtige Information, die mir jemand zukommen lassen will … Und Wolf hat mir einmal gesagt, dass es Situationen geben kann, in denen man eine einmal getroffene Entscheidung revidieren muss“, entgegnete der Junge forsch. Katharina meinte eine Spur jugendlichen Trotzes in seiner Miene entdecken zu können.
    „So? Auch wenn es das Leben kosten kann?“, konterte sie nochmals schärfer im Ton.
    „Es … es wird schon nicht gleich das Leben kosten, wenn … wenn ich … den treffe, der mir endlich die Wahrheit sagt über den Tod meiner Eltern und meiner Schwester!“, brach es verzweifelt aus Bertram hervor. Tränen schossen ihm plötzlich in die Augen.
    Katharina schwieg erschüttert. Sie begann zu begreifen und legte den Arm um ihn.
    „Bertram, wer ist derjenige, der dich bei den toten Meilern erwartet, angeblich, um dir die Wahrheit zu sagen?“, fragte sie ruhig.
    „Ich kenne ihn nicht. Wahrscheinlich der, der mir auch diesen Brief zukommen ließ“, antwortete er leise, zog ein zusammengefaltetes Pergament aus dem Wams und gab es ihr.
    Langsam entfaltete sie es. Es war ein schlecht abgeschabtes Palimpsest, die miserabelste Qualität eines Pergaments, doch die Worte darauf waren eindeutig und klar zu lesen:
    „Sei heute kurz nach der Komplet bei den toten Meilern am Weg nach Johnsbach. Ich weiß, wer deine Familie auf dem Gewissen hat und warum alle getötet wurden. Ein Freund.“
    „Das also ist es“, sagte sie nur. Heißer Zorn stieg in ihr hoch.
    „Danke Gott dafür, dass ich dich noch rechtzeitig gefunden habe“, fuhr sie fort. „Der Mann, der diese Nachricht schrieb, ist dein Todfeind – und vermutlich derselbe, der auf dich schoss.“
    Entsetzt sah Bertram sie an. „Mein Todfeind? Der, der auf mich geschossen hat?“
    Katharina nickte ernst. „Sagten wir dir nicht,

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