Der Seelenhändler
beim Graben zur Hand zu gehen. Den Rest erledige ich selbst.“
„Also, ihr habt es gehört. Ihr werdet ihm helfen!“, wandte sich Jenninger an die beiden Büttel, die daraufhin mit mürrischen Gesichtern wieder von den Pferden stiegen.
Jenninger selbst zog es offenbar vor, sich schnellstens zu verabschieden. „Nun denn, Herr Wolf, gehabt Euch wohl. Solltet Ihr einmal nach Rottenmann kommen, besucht mich. Ich lasse Euch wissen, wenn es etwas Neues gibt.“
„Das werde ich. Gehabt Euch wohl, Herr Stadtrichter“, erwiderte Wolf kühl, woraufhin Jenninger hastig davonritt.
Das Ausheben des Grabes, in dem die Toten gemeinschaftlich bestattet werden sollten, nahm den gesamten restlichen Vormittag in Anspruch. Als sie damit fertig waren, bedankte sich Wolf bei jedem der Büttel mit einigen Pfennigen für ihre Hilfe, was die bis dahin mürrisch dreinblickenden Männer veranlasste, sich wenigstens höflich von ihm zu verabschieden. Er wartete noch eine Weile, bis sie verschwunden waren. Dann ging er, dem Rand der Talsenke folgend, ein Stück weit den bewaldeten Hang hinauf. Indem er den immer dichter werdenden Rauchschwaden folgte, die zwischen den Bäumen waberten, gelangte er schließlich auf das gerodete Plateau, auf dem sich die Grubenmeiler befanden.
Er blickte sich um. Ein leichter Wind hatte sich erhoben und streifte die Wipfel der benachbarten Bäume mit leisem Rauschen. Brandgeruch stach ihm in die Nase. Zu seinen Füßen sandten rechteckig geformte, mit Erde abgedeckte Flächen Qualm in das blaue Fleckchen Himmel über ihm. Sie markierten die Gruben, in denen Holz zu Kohle verglomm.
Wolf nahm den dunklen, von Brand und Kohle schwarz gefärbten Boden näher in Augenschein. Und registrierte etwas, das zu fin-den er sich sicher gewesen war, auch wenn er noch nicht hier gewesen war: Um die Meiler herum bedeckte ein Durcheinander mittlerweile getrockneter Spuren den zum Teil lehmig erdigen Boden. Abdrücke von Stiefeln, dazwischen die Spuren nackter Füße. Sie gehörten eindeutig einem Mann und einer Frau: Arnulf und Agnes.
Wolf schauderte und sah genauer hin.
Eine Spur nackter Füße führte in nördlicher Richtung an den Rand der von Arnulf gerodeten Fläche zu einem unregelmäßig gegrabenen Loch von etwa zwei Ellen Durchmesser. Es war über zwei Ellen tief mit einem Spaten in die Erde getrieben worden. Dieser lag seitlich des Loches im Strauchwerk, dort, wo das Unterholz wieder begann. Nur der Stiel ragte noch heraus. Offensichtlich hatte der Köhler das Loch gegraben, während die anderen, den Spuren nach zu urteilen, einige Schritte von ihm entfernt gewartet hatten, bis er damit fertig war.
Doch was war danach geschehen? Und vor allem, was war in dem Loch gewesen?
Prüfend ging er in die Hocke und spähte hinein. Mit den Händen tastete er an den Kerben entlang, die der Spaten in die lehmige Erde getrieben hatte. An einer Stelle ragte aus der seitlichen Wand ein Stückchen Fels heraus. Sonst aber fand er nichts. Zumindest nichts, was ihm eine Antwort auf die Frage hätte geben können, was sich in diesem Loch befunden hatte.
Er richtete sich auf.
Arnulf. Agnes. Hatten sie irgendetwas vor ihm verborgen? Sie waren nicht nur Freunde für ihn gewesen. Sondern fast so etwas wie Bruder und Schwester und hatten einander vertraut. Keine Geheimnisse voreinander gehabt.
Oder etwa doch?
Noch einmal beugte er sich nieder. Kniete auf dem harten Lehmboden und streckte den Kopf weit in das Loch hinein. Zum wiederholten Mal tastete er sorgfältig die seitlichen Wände ab, diesmal bis zum Grund.
Plötzlich wurde er fündig. Mit den Fingerspitzen ertastete er etwas, das sich anfühlte wie ein Band. Er versuchte, noch tiefer unter den hervorstehenden Stein zu greifen. Vergeblich.
Er richtete sich wieder auf. Der Spaten fiel ihm ein. Er zog ihn aus dem Dickicht hervor und versuchte, das Loch an der Stelle, wo der Fels in die Öffnung ragte, zu erweitern. Es gelang ihm ohne große Mühe. Achtlos warf er danach den Spaten zur Seite und fasste abermals hinein. Endlich konnte er den Gegenstand umfassen, den er vorhin mit den Fingerspitzen gefühlt hatte. Wahrscheinlich ein Beutel, versehen mit einer Schlaufe. Er zog daran, doch der Beutel steckte fest. Nochmals zerrte er an ihm, diesmal kräftiger. Dann ein Knacken, der Widerstand löste sich. Gleich darauf barg er den Beutel in seiner Rechten. Ein Teil der Schlaufe war um ein daumenstarkes Stück eines Wurzelfingers geschlungen gewesen, den er durch sein Zerren
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