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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler
Autoren: Peter Orontes
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sicher. Hatten sie ihre Mörder erkennen können?
    Licht!, schoss es ihm durch den Sinn. Die Mörder hatten Licht benötigt, denn in der Hütte musste es stockdunkel gewesen sein.
    Suchend blickte er sich um. Da – seitlich links, neben der Türöffnung. Er richtete sich wieder auf, ging die wenigen Schritte zum Eingang und hob eine zur Hälfte abgebrannte Fackel auf.
    Danach begab er sich in die rechte hintere Ecke der Behausung. Dorthin, wo die Kinder lagen.
    Anna. Sie hatte die Augen geschlossen. Entspannt und friedlich lag sie da. Er schob das Schaffell, mit dem sie sich bis zum Bauch zugedeckt hatte, zur Seite. Das Blut auf ihrem Hemdchen war eingetrocknet. Er überwand sich und schob es hoch. Eine tiefe, klaffende Wunde, schwarz gerändert, markierte die Stelle, an der das Messer, durch den dünnen Stoff hindurch, in die Brust gedrungen war.
    Dann Paul. Er lag unmittelbar neben Anna, war wie diese nur zur Hälfte mit einem Schaffell zugedeckt und hatte den Oberkörper frei. Auch hier ein tiefer Stich ins Herz, die Wunde ebenfalls schwarz vom inzwischen getrockneten Blut. Wolf schob das Schaffell mehr zufällig und unbewusst beiseite. Es glitt zu Boden.
    Plötzlich erstarrte er.
    Ungläubig sah er auf den rechten Fuß des toten Jungen. Er benötigte einen Augenblick, um zu begreifen, was er da sah. Die große Zehe fehlte. Sie war abgetrennt worden. Ein weißer Knochen ragte ein Stück weit aus der grässlichen, ebenfalls schwarz gewordenen Wunde. Ihm drohte übel zu werden. Er drehte sich um, trat ans Fenster und atmete mehrmals tief durch. Auf der blühenden Wiese tanzten die Schmetterlinge im Licht der Vormittagssonne.
    Die Zehe. Die große Zehe an Pauls rechtem Fuß. Warum, fragte er sich. Was sollte das Ganze?
    Er wandte sich um und zwang seinen Blick erneut ins Innere der Hütte zurück. Das Schaffell, das zu Boden geglitten war, hob er auf, um Pauls Füße wieder damit zu bedecken. Dann ging er zu dem hölzernen Verschlag hinüber, hinter dem Tassilo, der Bruder Arnulfs, noch immer bäuchlings auf seinem Lager lag. Wolf neigte sich über den eingeschlagenen Schädel. Tassilos Hinterkopf wies eine tiefe, von schwarzem Blut verkrustete, nach innen gewölbte Delle auf. Ein starkes Rundholz hatte seinem Leben ein Ende gesetzt.
    Wolf richtete sich auf. Arnulf und Agnes. Wie hatte man sie getötet? Rasch brachten ihn einige wenige Schritte wieder an die Seite des Ehepaares, wo er sich erneut prüfend über die Häupter der Leichen beugte. Beide Schädel wiesen jeweils einen tiefen, keilförmigen Spalt auf. Arnulf hatte es an der rechten Schläfe erwischt, Agnes an der Stirn. Sicher war, dass beide mit derselben Art von Waffe getötet worden waren.
    Er überlegte, resümierte. Arnulf und Agnes: eine gleichartige Wunde, beide mit einem spitzen, keilförmigen Gegenstand getötet. Die Kinder: jeweils mit einem Stich ins Herz ermordet. Tassilo: umgebracht mit einem Rundholz. Drei verschiedene Waffen – drei verschiedene Täter? Waren sie zu dritt gekommen?
    Nein, es mussten mindestens vier gewesen sein. Denn einer musste währenddessen ja noch die Fackel gehalten haben. Vielleicht der Anführer? Es war zumindest unwahrscheinlich, dass er sich direkt am Töten beteiligt hatte. In der einen Hand die Fackel, mit der anderen die Waffe schwingend, das wäre viel zu umständlich gewesen. Nein, er hatte lediglich für das notwendige Licht gesorgt, auf das die anderen angewiesen waren, um ihre tödliche Mission erfüllen zu können. Doch was war der Grund? Die Aussicht auf Beute? Wie bei all den anderen Opfern, die die Bande auf dem Gewissen hatte? Aber was hatte ein einfacher Köhler denn Wertvolles zu bieten? Wie oft hatte er sich dies seit gestern Nachmittag schon gefragt. Und jedes Mal, wenn er mit seinen Überlegungen auf der Suche nach einem möglichen Motiv bei dieser Frage angelangt war, merkte er, dass er sich im Kreise drehte.
    Und doch gab es eine Frage, die ihm noch weit mehr Kopfzerbrechen bereitete. Was, zum Teufel, hatte es mit der abgeschnittenen Zehe an Pauls rechtem Fuß auf sich?
    Ein Glitzern riss ihn aus seinen Überlegungen heraus. Er bemerkte es eher zufällig, als er seinen Blick den Strahlen der Sonne folgen ließ, die durch die Fensteröffnung fielen.
    Es ging von einem Stück Metall aus, das auf der dem Fenster gegenüberliegenden Seite am Boden lag. Wolf hob es auf und wunderte sich. Er hielt das abgerissene Stück eines mit silbernen Nieten besetzten ledernen Gürtels in den Händen. Eine
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