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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler
Autoren: Peter Orontes
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selbst verspürte ein Gefühl schrecklicher Leere. Während der Graf um die beiden Leichen herumtrat, um sich unmittelbar am Aufgang zur Treppe zu postieren, warf sich Ulrich mit einem Aufschrei auf die Knie und barg das gespaltene Gesicht des Getöteten in seinen Händen.
    „Leuthold, Bruder“, schrie er auf, während ein Schluchzen seinen Körper schüttelte. „Ich werde dich rächen. Bei Gott, das werde ich. Ich schwöre es!“
    Dann erhob er sich mit einem Ruck, stürzte mit einem grässlichen Aufschrei an die Seite des Grafen und sah mit stierem Blick zu Wolf hinauf.
    „Du hast ihn umgebracht … Du hast meinen Bruder getötet. Dafür wirst du bezahlen“, zischte er so leise, dass Wolf Mühe hatte, seine Worte zu verstehen. Umso deutlicher spiegelte sich die Absicht des Mannes in der jähen Bewegung, die er plötzlich vollzog.
    „Halt ein, Ulrich!“, rief der Riedener scharf und packte ihn am Arm. „Solange der Hurensohn nicht von der Treppe herunterkommt, kriegen wir ihn nicht. Er ist ein verdammt guter Kämpfer. Also werden wir warten. Bis Alfric und Odo kommen. Alfric hat die Armbrust. Das wird den Hund dazu bewegen, sich zu ergeben. Ich schätze, die beiden werden jeden Moment hier auftauchen. Sie werden die Frau bemerken, wenn sie an ihnen vorbei ins Tal hinunterreitet, und schnell begreifen, was geschehen ist. Vielleicht gelingt es ihnen ja sogar, sie wieder einzufangen.“
    „Und wenn nicht, Herr? Bis auf Eure Stute, die dort hinten im Hof stand, sollen sie doch die Pferde bewachen, mit denen wir gekommen sind. Ihr habt ihnen Order gegeben, ihren Posten auf keinen Fall zu verlassen. Es sei denn, einer von uns holt sie“, bemerkte Ulrich zweifelnd.
    „Sie werden dennoch kommen. Sie haben gesehen, wie dieser verlauste Hundsfott und seine Gefährtin den Weg hinaufritten. Und sie werden sich einen Reim darauf machen, wenn die Frau nun ganz allein wieder nach unten jagt, als ob der Leibhaftige hinter ihr her sei. Sie werden merken, dass etwas schiefgelaufen ist, und nachsehen, was los ist. Und wenn nicht, schicken wir Basilius los, um sie zu holen, während wir beide den Mistkerl auf der Treppe in Schach halten.“
    Wolf hatte mit Schaudern gehört, dass noch zwei weitere Halunken zum Trupp des Grafen gehörten, die sich offenbar außerhalb der Mauern in einem Versteck neben dem Weg aufhielten. Nichtsahnend war er mit Katharina an den beiden Männern vorbeigeritten, ohne sie zu bemerken. Ein bitteres Gefühl des Versagens stieg in ihm auf, das sich plötzlich in ohnmächtige Verzweiflung verwandelte, als sich von Westen das Trommeln von Hufen näherte. Gleich darauf stürmten zwei Pferde durch das Torgewölbe. Vorneweg ein Rappe mit einem Mann und einer Frau, dem in kurzem Ab-stand eine Falbe folgte, auf dem ein dritter Reiter saß. Triumphierendes Gelächter schallte durch den frühen Morgen; Hanno von Rieden maß die Neuankömmlinge mit anerkennendem Blick.
    Im Nu hatte der Rappe die bei der Treppe befindliche Gruppe der Männer erreicht – und Wolf blickte mit Schrecken in das mit Blut verkrustete und schmutzverschmierte Gesicht Katharinas. An beiden Händen gebunden, saß sie zuvorderst im Sattel und sah ihn aus weit geöffneten Augen angstvoll an.
    „Sie ist Euch wohl entwischt, gnädiger Herr. Aber wir haben das Vögelchen wieder eingefangen“, ertönte die Stimme des Mannes, der hinter Katharina im Sattel saß und soeben dabei war, vom Pferd zu springen. Er wirkte klein und schmächtig.
    „Ja. Es hat ganz schön laut gezwitschert und mit den Flügeln wild um sich geschlagen. Aber wir haben es schnell gezähmt“, ließ sich lachend der zweite Reiter vernehmen, der im Gegensatz zum ersten ein wahrer Hüne war. Auch er hatte sein Pferd mit einem heftigen Ruck nahe der Treppe verhalten und saß nun ab.
    Jetzt erst nahmen die beiden Neuankömmlinge die Leichen wahr, die am Fuß der Treppe lagen. Vorübergehend malte sich Bestürzung auf ihren Zügen.
    „Zum Teufel! Was ist das? Leuthold und Randolph sind tot?“, fragte der Schmächtige.
    „Verflucht, was ist geschehen?“, entfuhr es dem Hünen.
    „Das haben wir diesem Hurensohn dort auf der Treppe zu verdanken“, antwortete der Graf wütend. „Aber er wird dafür bezahlen. Und ihr dürft kassieren. Das mit der Frau habt ihr gut gemacht. Ihr habt euch eine besondere Belohnung verdient.“
    „Eine besondere Belohnung?“, fragte der Schmächtige; Gier spiegelte sich in seinen Zügen.
    „Ja, eine Belohnung, Odo“, bestätigte der Graf.
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