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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler
Autoren: Peter Orontes
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vielleicht die verdammte Schlucht hinunter? Nein, mein Lieber. Wir sitzen hier gefangen wie die Maus in der Falle.“
    „Engelbert, ich sag’s dir noch mal: Ich hab ’ne Scheißangst. Ich glaube, dass die uns um die Ecke bringen. Überleg doch mal: Die können keine Zeugen brauchen, und wir haben alles mitbekommen. Wir kennen das Versteck hier oben. Wir kennen den Weg hierher. Wir kennen sogar ihre Gesichter.“
    ,Wir kennen sogar ihre Gesichter‘. Es waren diese Worte Martins, die Engelbert blitzartig einen Umstand bewusst machten, dem er bisher keinerlei Bedeutung geschenkt hatte: Die Tatsache, dass man ihm und Martin im Gegensatz zu den Venezianern nicht die Augen verbunden hatte. Er war nicht dumm. Er konnte durchaus zwei und zwei zusammenzählen. Jetzt wurde ihm klar: Die Venezianer hatten nicht sehen sollen, mit wem sie es zu tun hatten, damit sie künftig keinen von der Bande identifizieren konnten. Was wiederum bedeutete, dass man beabsichtigte, sie am Leben zu lassen. Warum hatte man es nicht für nötig befunden, ihm und Martin die Augen zu verbinden? Etwa weil …
    Martin stieß ihn in die Seite und unterbrach seine Überlegungen. „Der Schwarze und die Venezianer sind verschwunden. Wo sie wohl stecken mögen?“
    Engelbert wandte den Kopf und fand die Beobachtung Martins bestätigt.
    „Tatsächlich. Sie sind verschwunden. Weiß der Geier, wohin“, brummte er. Plötzlich fiel ihm die Felsspalte ein, aus der die Männer die Fässer hervorgeholt hatten. „Nein“, korrigierte er sich sofort, „ich glaube, ich weiß es. Erinnere dich an vorhin. Als sie die Weinfässer anschleppten.“ Er nickte mit dem Kopf in Richtung der Felsspalte. „Ich sage dir, dorthinein sind sie verschwunden.“
    Martin zuckte mit den Achseln. „Vielleicht hast du Recht.“ Er legte sich auf den Rücken, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah schicksalsergeben zum bestirnten Himmel hinauf.
    Jäh zerriss ein Donnerschlag kurz nach Mitternacht die nächtliche Stille.
    Pulverdampf erfüllte die Luft.
    Erschrocken sprangen die Männer auf und starrten zum Hohlweg hinüber. Dichter, weißer Rauch quoll dort hervor, verzog sich träge in den nächtlichen Himmel – und gab schließlich den Blick auf einen albtraumhaften Mummenschanz frei.
    Zwei Mönche waren auf das Plateau getreten – absonderlich aussehende Gestalten mit Fackeln in den Händen, deren zuckende Flammen das obskure Habit der eigenartigen Figuren gespenstisch leuchten ließen – blendend weiß das des einen, blutig rot das des anderen.
    Die Skapuliere zierte ein eigenartiges Zeichen. Weiß auf Rot, Rot auf Weiß prangte ein Ring darauf, der ein Kreuz umschloss. Das Kreuz stand auf dem Kopf.
    Das Haupt des Roten war schwarz vermummt. Ein gesichtsloses Nichts unter einer roten Kapuze.
    Das Gesicht des Weißen schimmerte wie Erz. Die metallenen Züge gleißten im Licht des Mondes und der Fackeln und wirkten starr und leblos. Es war ein kaltes, aber kostbares Gesicht – eine Maske, gefertigt aus purem, schwerem Silber.
    Der seltsame Spuk ergriff die Sinne der ohnehin abergläubischen Männer und setzte ihr Zeitgefühl vorübergehend außer Kraft.
    Der Rote mit dem schwarz vermummten Gesicht trat vor. Es war der Prior. Die Fackel in seiner Hand qualmte.
    „Begrüßt unseren Gebieter, wie es sich ziemt!“, hallte seine Stimme durch die Nacht. Dann fiel er, mit der Stirn den Boden berührend, vor der weißen Gestalt nieder.
    Augenblicklich taten es ihm alle nach. Gingen in die Knie, beugten sich nach vorn und berührten mit ihrer Stirn den felsigen Grund.
    Während die Männer in dieser demütigen Haltung verharrten, erhob sich der Prior wieder. Erneut begann er zu sprechen. „Heute ist ein besonderer Tag. Heute werdet ihr die seltene Stimme unseres Gebieters und Wohltäters vernehmen. Vernehmt nun in Ehrfurcht, was er euch zu sagen hat. – Wir sind bereit, o Herr.“ Die letzten Worte hatte der Prior demutsvoll an den Abt gerichtet, der nun erstmals zu sprechen begann.
    „Richtet euch auf und seht mich an“, forderte er die Männer auf. Dumpf und drohend klang seine Stimme hinter der erzenen Maske.
    Die Männer gehorchten. Sie erhoben sich aus ihrer gebeugten Haltung, blieben aber auf den Knien, so wie es das Zeremoniell des Ordens von ihnen verlangte. Wenn der Gebieter zu ihnen sprach, hatten sie vor ihm zu knien.
    „Hört, die ihr Treue und Eifer dem Orden vom heiligen Ring geschworen habt! Heute ist die Nacht gekommen, in der ihr euren Schwur
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