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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler
Autoren: Peter Orontes
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Schwarze hatte sich erhoben. Im flackernden Schein der Feuer warf sein Körper unruhige Schatten.
    Er hob die Hand zum Zeichen, dass er etwas sagen wollte, und das Schwatzen verstummte. „Hört zu, Männer“, begann er, „ihr habt gute Arbeit geleistet. Wie immer, wird euch euer Anteil an der Beute in blankem Silber ausbezahlt werden. Und zwar gleich morgen früh, nachdem ihr die Ware ordentlich im Lager verstaut habt und wir von hier abziehen und uns trennen. Dass diejenigen von euch, die danach wie gewohnt nach Hause gehen, die üblichen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen haben, versteht sich von selbst. Wir anderen haben hier noch einiges zu erledigen, bevor wir den Horst verlassen.“ Er hielt kurz inne und blickte bedeutungsvoll zu den Gefangenen hinüber. Dann fuhr er fort: „Ich weiß, ihr denkt jetzt alle ans Feiern. Und ihr sollt auch heute wieder euren Wein bekommen. Doch diesmal gibt’s nur einen Humpen voll für jeden. Damit ihr euch nicht besaufen könnt. Denn heute Nacht“, er machte eine Pause und ließ seinen Blick bedeutungsvoll in die Runde schweifen, „heute Nacht werden wir noch Besuch bekommen.“
    Ungläubig sahen ihn die Männer an.
    „Ihr habt richtig gehört“, fuhr er langsam fort und sich der Wirkung der Worte, die jetzt folgen würden, bewusst. „Unser aller Gebieter, der ehrwürdige Abt unseres geheimen Ordens, wird höchstpersönlich zu uns sprechen. Zusammen mit dem Prior. Denn dies ist nicht die Nacht des Feierns, sondern die Nacht des Gerichts. Die Nacht, in der offenbar werden soll, dass jeder, der unsere Sache verrät, den Tod verdient!“
    War hie und da während der kurzen Rede des Schwarzen noch Gemurmel zu hören gewesen, wurde es jetzt für einen kurzen Augenblick mucksmäuschenstill. Dann wanderte ehrfürchtiges, fast ängstliches Raunen an den Feuern entlang.
    Normalerweise sahen die Mitglieder der Bande den Abt nur zwei- oder dreimal im Jahr. Der Prior ließ sich dagegen öfter blicken. Manchmal traf er sich auch nur mit den beiden Subprioren, von denen einer der Schwarze war. Der andere war ein baumlanger Kerl mit roten Haaren und rotem Bart, genannt der Rote Peter, der heute, aus welchem Grund auch immer, beim Überfall nicht mit dabei gewesen war.
    Sowohl um die Person des Abtes als auch um die des Priors rankte ein Geheimnis. Beide traten stets vermummt auf. Niemand kannte ihr Aussehen, niemand wusste, woher sie stammten. Es empfahl sich auch nicht, ihre Identität lüften zu wollen. Einmal hatte es einer von ihnen versucht – und mit dem Leben dafür bezahlt. Man hatte ihn mit durchgeschnittener Kehle und mit den Füßen an einem Baum aufgehängt gefunden.
    Die Tatsache, dass heute Nacht nicht nur der Prior, sondern auch der Abt zu ihnen kommen würde, musste einen außergewöhnlichen Grund haben. Der Schwarze hatte ihn genannt. Er hatte von Verrat gesprochen. Der Abt würde erscheinen, um zu richten. Die Regeln des Ordens sahen vor, dass er in besonderen Fällen sogar über Leben und Tod der zur Bruderschaft Gehörenden entscheiden konnte.
    Auch Engelbert und Martin sowie die drei Venezianer hatten die Rede des Schwarzen mitbekommen; Lodovico hatte seinen Gefährten jedes Wort übersetzt. Der Angstkloß, der den beiden Fuhrleuten eh schon im Halse steckte, wurde dadurch nicht gerade kleiner, und auch die stoische Gelassenheit, mit der sich die drei Kaufherren vorübergehend in ihre Lage geschickt hatten, begann zu schwinden.
    Jetzt wurde Wein ausgeschenkt. Krüge und Becher wurden aus dem Felsversteck geschleppt und mit dem Inhalt aus den Fässern gefüllt. Doch die aufgeräumte Stimmung, die noch vor der Rede des Schwarzen unter dem Gesindel geherrscht hatte, war dahin. Furcht zeichnete sich in den Mienen der Wegelagerer ab, während sie sich leise murmelnd unterhielten.
    Martin stieß seinen Bruder in die Seite: „Ich sag dir, Engelbert, allmählich krieg ich kalte Füße. Dieser verdammte Transport; hätten wir ihn bloß nicht übernommen.“
    „Ich hab dir schon mal gesagt: Hör auf, dir in die Bruche zu scheißen. Glaubst du, ich fühl mich wohl in meiner Haut? Trotz allem müssen wir einen kühlen Kopf bewahren.“
    „Du hast gut reden. Hast du nicht den Blick bemerkt, den der Schwarze uns zugeworfen hat, als er sagte, sie würden noch etwas zu erledigen haben? Ich sage dir, das Gesindel hat noch eine Riesenschweinerei mit uns vor. Wenn wir bloß abhauen könnten.“
    „Abhauen? Wohin denn? Zum Hohlweg hinaus? Da wirst du nicht weit kommen. Oder
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