Der Seelenhändler
Offensichtlich logen sie das Blaue vom Himmel herunter. Ihr Verhalten machte sie mehr als nur verdächtig – es stank zum Himmel. Sie waren nicht die, für die sie sich ausgaben, und sie hatten augenscheinlich etwas zu verbergen.
Der Weg zur Burg gestaltete sich mühsam und langwierig.
Als Wolf mit den beiden falschen Pilgern endlich in den Burghof einritt, wurde er verständlicherweise von neugierigen Blicken empfangen. Er machte jedoch nicht viel Federlesens und ritt einfach an den Gaffern vorbei. Vor dem Tor der Eingangshalle hielt er an, sprang aus dem Sattel und forderte den, der Heinrich hieß, auf, seinem Verwandten vom Pferd zu helfen. Dann bedeutete er ihnen, in der Halle zu warten, während er selbst den Grafen aufsuchte.
Friedrich von Saurau war gerade damit beschäftigt, einige Zinslisten durchzusehen, als ihm Rupert Hauensteiner, sein persönlicher Adlatus, den Wunsch Wolfs überbrachte, ihn sprechen zu wollen. Es sei dringend, fügte er hinzu.
Vor zwei Tagen noch, bei seinem Eintreffen auf der Burg, hatte Wolf die Abwesenheit Ruperts mit leichtem Befremden zur Kenntnis genommen, wusste er doch, dass der Graf, gerade wenn er wichtigen Besuch empfing, auf die Dienste Ruperts großen Wert legte. Dann aber hatte er erfahren, dass Rupert darum gebeten hatte, dem Begräbnis seines Vaters in Bärndorf beiwohnen zu dürfen, wofür ihm der Graf großzügigerweise einige Tage frei gegeben hatte. Heute Nachmittag nun war er auf die Burg zurückgekehrt, um sich sogleich wieder auf seinen Posten zu begeben. Ruperts Platz befand sich in einer geräumigen Nische unten in der Einganghalle. Hier erledigte er auch die eine oder andere schriftliche Arbeit, die ihm der Graf auftrug. War die Nische leer oder von jemand anderem besetzt, konnte man davon ausgehen, dass Rupert wieder einmal im Auftrag des Grafen unterwegs war. Auch der Hallstatter betraute ihn ab und zu mit bestimmten Aufgaben. Vor allem damit, in den Wäldern nach dem Rechten zu sehen; Rupert hatte einen geschulten Blick für alles, was mit dem Forst zu tun hatte, und der Saurauer schätzte seine diesbezüglichen Fähigkeiten. Überhaupt mochte jeder den pfiffigen Burschen mit dem stets freundlichen Lächeln im Gesicht, der mit viel Geschick und Umsicht seine vielfältigen Arbeiten erledigte.
Der Graf hatte sein freundlichstes Lächeln aufgesetzt.
„Ihr seht mich gespannt. Was gibt es denn so Dringendes?“, begrüßte er Wolf und forderte ihn auf, am Tisch Platz zu nehmen, auf dem, wie fast immer, einige Pergamente und Schreibzeug herumlagen. Er hatte noch immer ein schlechtes Gewissen wegen seines gestrigen Verhaltens.
„Was es Dringendes gibt? Ich will es Euch sagen, Graf. Ich glaube, ich habe zwei interessante Vögel eingefangen. Drunten in der Buchau. Und ich habe den Eindruck, dass sie uns etwas zwitschern könnten – etwas, was mit dem Mord an der Köhlerfamilie zu tun hat.“
Erregt sprang der Graf auf. „Dann müssten sie uns doch auch etwas über den Überfall auf die Venezianer sagen können?“
Wolf winkte ab. „Nein, Graf, das glaube ich mittlerweile nicht mehr.“
In kurzen Zügen schilderte er dem Saurauer, was sich zugetragen hatte und weshalb er von seiner ursprünglichen Meinung, die beiden könnten etwas mit dem Überfall auf die Venezianer zu tun haben, abgerückt war. Die Enttäuschung des Grafen war unübersehbar. Dennoch stimmte er der Bitte Wolfs, den beiden eine Kammer zur Verfügung zu stellen, in der sie nächtigen konnten, mehr oder weniger gleichgültig zu. Wolf war zufrieden, denn ihm lag daran, für das Verhör, das er heute noch zu führen beabsichtigte, den Überraschungsmoment zu nutzen. Dazu war es notwendig, die beiden vorerst in Sicherheit zu wiegen. Eine besonders gastfreundliche Geste konnte dabei nur hilfreich sein.
Unruhig zuckten die Kerzenflammen und warfen zitternde Schatten an die weiß gekalkte Wand.
Soeben erst hatten die beiden Meister der „Armen Christi“ die Kammer betreten, die ihnen für die Nacht zugewiesen worden war, und mit Erstaunen die brennenden Kerzen wahrgenommen. Noch mehr aber wunderten sie sich über die Kostbarkeiten, die für sie auf dem Tisch bereitstanden: Brot, Geselchtes, Käse, sogar ein wenig Butter und ein großer Krug voll Bier nebst hölzernen Schalen und Bechern. Und das, nachdem sie schon befürchtet hatten, sich hung-rig zur Ruhe begeben zu müssen. Denn nachdem Rudlins Wunden überraschenderweise von jener außergewöhnlich schönen Frau behandelt worden waren,
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