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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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an.
    „Nun, hat es euch die Sprache verschlagen?“
    Wie ein Peitschenknall durchbrach Wolfs Frage das eisige Schweigen.
    „Ihr seid so wenig Pilger, wie ich der Papst bin. Wer also seid ihr? Heraus damit!“, fuhr er die beiden an, die jedoch weiterhin schwiegen.
    „Wenn ihr nicht endlich antwortet, gibt es noch andere Mittel, euch zum Reden zu bringen. Ich scheue nicht, sie einzusetzen. Habt ihr verstanden?“, drohte er.
    Plötzlich kam Heinrich eine Idee, mit der sie vielleicht ihren Hals wieder aus der Schlinge ziehen könnten.
    „Hoher Herr, Ihr seht uns in einer zwiespältigen Lage“, begann er, wobei er versuchte, seine Stimme möglichst verzweifelt klingen zu lassen, was ihm angesichts der gegenwärtigen Situation nicht gerade schwerfiel. „Ihr zweifelt an uns. Weil wir Eure Fragen nicht beantworten und weil wir keine Urkunde vorweisen können. Doch würdet Ihr uns glauben, wenn wir sagen, man hat uns die Urkunden gestohlen? Und dass Wegelagerer uns eines Nachts überfallen und das Bündel, in dem sich die Urkunden befanden, entwendet haben? Und was Eure anderen Fragen angeht: Würdet Ihr uns glauben, dass wir sie nicht beantworten können, weil wir ein Gelübde abgelegt haben?“
    Heinrich hatte bewusst die Antwort in Form von Fragen gekleidet. Auf diese Weise erleichterte er sein Gewissen. Schließlich behauptete er nicht , dass das, was er sagte, die Wahrheit war. Er stellte lediglich die Frage, ob der, der ihn da verhörte, ihm glauben würde , wenn er ihm dies oder jenes erzählen würde. So log er nicht, sondern griff lediglich zu einer List.
    „So, so, ihr seid überfallen worden. Und ein Gelübde habt ihr abgelegt. Darf man denn wissen, was für ein Gelübde?“, fragte Wolf ironisch.
    „Herr“, antwortete Heinrich voller Überzeugung. „Stellt Euch vor, Ihr steht am Grab des heiligen Jakobus. Und Ihr seid von der Gnade, die Euch widerfährt, außerordentlich ergriffen. Doch Ihr bemerkt, wie viele Eurer Mitpilger damit prahlen und damit der christlichen Demut, wie der Herr sie fordert, einen schlechten Dienst erweisen. Nun gelobt Ihr am Grab des Jakobus, nie so zu werden wie diese und all das Wunderbare und das, was Ihr gesehen habt, für immer in Eurem Herzen zu bewahren und mit niemandem darüber zu reden. Was würdet Ihr sagen, wenn Euch in diesem Fall jemand zwingen wollte, dieses Gelübde zu brechen?“
    Heinrich war sich sicher, in diesem Augenblick unschuldig wie eine Taube und listig wie eine Schlange gesprochen zu haben. So, wie der Herr es empfahl. Der Himmel würde seine wahre Freude an ihm haben.
    Wolf war verblüfft. Die Durchtriebenheit dieser ausgekochten Scheinpilger kannte offenbar keine Grenzen. Er erhob sich von seinem Schemel und trat unmittelbar vor die beiden hin. Langsam beugte er sich zu ihnen hinunter, bis sein Gesicht fast das des „Neffen“ berührte.
    „Euer Gelübde rührt mich zu Tränen“, spottete er. „Insbesondere, wenn ich daran denke, dass es den heiligen Jakobus so sehr bewegt hat, dass er euch einen Engel sandte, der euch auf seinen Flügeln blitzschnell hierhertrug. So, dass ihr nicht erst nach drei, sondern schon nach zwei Monaten hier bei uns angekommen seid. Ein echtes Wunder. Man sollte euch heiligsprechen.“
    „Wie sollen wir das verstehen, Herr?“, fragte Heinrich gepresst.
    „Wie ihr das verstehen sollt? Du stellst dich wohl dümmer, als du bist. Aber ich will es dir sagen. Noch heute Nachmittag sagtest du, dass ihr vor drei Monaten aus Santiago aufgebrochen seid. Von dort bis hierher ist man in der Tat so lange unterwegs. Vor vier Wochen aber habt ihr Alfons, den Schweinehirten aus der Buchau, nach dem Weg nach Ardning gefragt. Damals wart ihr noch Handelsreisende. Erinnerst du dich noch daran – Pilger? Oder soll ich deiner Erinnerung ein wenig auf die Sprünge helfen?“
    Es war aus. Wolf bemerkte, wie nackte Verzweiflung in den Augen der beiden aufflammte.
    Dennoch raffte sich der Alte zu einem letzten Widerspruch auf. „Euer Gnaden, Ihr tut uns unrecht. Meint Ihr nicht, dass hier eine Verwechslung vorliegt?“
    „Eine Verwechslung?“ Wolf beugte sich vor, packte die verkrüppelte Hand Rudlins und schüttelte sie derb hin und her. „Diese Hand ist doch wohl unverwechselbar. Glaubst du nicht auch? – Und nun genug des Possenspiels. Wer seid ihr? Und vor allem: Was hattet ihr in dem abgelegenen Tal in der Buchau zu suchen, in dem ihr Alfons begegnet seid – weitab von der Hauptstraße, die nach Ardning führt? Heraus

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