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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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damit!“
    Den beiden Predigerbrüdern war klar, dass jedes weitere Leugnen ihre Lage nur verschlimmerte. Andererseits war es für sie undenkbar, zuzugeben, dass sie zu denen zählten, die die Kirche als Ketzer bezeichnete. Jetzt konnten sie nur noch eines tun: eisern schweigen.
    Die Sturheit in den Gesichtern der Männer, die genau wuss-ten, dass sie der groben Lüge überführt worden waren, ließ in Wolf einen unsäglichen Zorn hochsteigen. Hier saßen – hier mussten – die Männer sitzen, die Arnulf und seine Familie auf dem Gewissen hatten. Und sie logen, dass sich die Balken bogen. Er sprang auf und stieß den Hocker zurück. Ruckartig beugte er sich nach vorne, packte Heinrich mit eisernem Griff beim Hals und drückte fest zu.
    „Wenn du mir nicht sofort sagst, was ihr mit der Familie des Köhlers gemacht habt und wer hinter dieser ganzen Schweinerei steckt, drehe ich dir und deinem sauberen Begleiter hier und jetzt den Kragen um – hast du mich verstanden?“, zischte er und stieß Heinrich so heftig zurück, dass dieser, ohne sich wehren zu können, auf dem Bett zu liegen kam.
    Heinrich griff sich an den Hals. „Wa…was … sagtet … Ihr da … eben?“, röchelte er heiser. „Vo…von was sprecht Ihr … überhaupt?“ Er begann zu husten.
    Kaum hatte er ausgesprochen, als sich Wolf erneut auf ihn stürzte, ein Knie auf seinen Brustkorb stemmte und ihn roh am Kinn packte.
    „Von was ich spreche? Du willst also immer noch leugnen, du Bastard?“, presste er wütend zwischen den Zähnen hervor, „ich spreche von Arnulf, dem Köhler, und von seiner Familie – von seiner Frau – und von den beiden Kindern – und von Tassilo –, die ihr bestialisch umgebracht habt.“ Abermals stieß er ihn auf das Bett zurück. In unkontrollierter Wut hob er die Hand, um ihn zu schlagen …
    … und hielt plötzlich inne.
    Gestoppt vom Anblick des Alten, auf den sein Blick zufällig gefallen war.
    Mit offenem Mund saß dieser am anderen Ende des Bettes. Er sagte nichts. Er saß nur da, starr aufgerichtet, und schüttelte unentwegt den Kopf. Mit so viel Unschuld, unendlichem Nichtverstehen und einem stummen Nein im Blick, dass Wolf seinen Irrtum augenblicklich erkannte.
    Die, die da vor ihm saßen, hatten mit dem Mord an Arnulf und seiner Familie nichts zu tun.
    Die plötzliche Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag
    Er ließ die Hand sinken und gab Heinrich frei.
    Langsam stand er auf. Heftig atmend, mit hängenden Armen, stand er vor den beiden Männern, die noch immer in grenzenlosem Unverständnis zu ihm aufsahen.
    Dann übermannte ihn die Erschöpfung. Mit müdem Blick ließ er sich auf einen der Schemel fallen. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, barg er den Kopf in den Händen und schwieg.
    Die Verwirrung, die Heinrich und Rudlin angesichts des plötzlichen Wandels ihres Peinigers empfanden, hätte nicht größer sein können. In maßloser Verblüffung starrten sie ihn an. Grübelnd erwiderte Wolf den Blick der Männer, die er zu Unrecht des Mordes verdächtigt hatte. Mittlerweile verstand er, warum er von ihrer Schuld so fest überzeugt gewesen war: Er hatte einfach gewollt , dass sie schuldig waren. Erst jetzt erkannte er, dass der brennende Wunsch, um jeden Preis Licht ins Dunkel zu bringen, ihn dazu verleitet hatte, sich an ihre angebliche Täterschaft zu klammern wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm.
    Er war verbittert. Die Fährte, von der er glaubte, sie würde ihn zu den Verbrechern führen, hatte sich als falsch erwiesen. Erschöpft rieb er sich die Stirn, wobei seine Augen zufällig die Anrichte streiften, auf der die Kerzen brannten.
    Da sah er das Buch.
    Sofort fiel es ihm wieder ein. Es war eines der beiden Exemplare, die Heinrich nach dem Angriff des Hundes mit ängstlichem Blick vom Boden aufgehoben hatte.
    Wolf griff danach. Eigentlich mehr aus Verlegenheit als aus Interesse – doch zur Bestürzung der beiden Männer, wie er verblüfft feststellte. Schockiert, mit weit aufgerissenen Augen blickten sie auf das Buch, das er in seinen Händen hielt. Hatten vorher noch grenzenloses Unverständnis und Unschuld in ihren Mienen gelegen, stellte Wolf nun jenen Ausdruck des Erschreckens darin fest, der sich einstellt, wenn man weiß, bei etwas Verbotenem erwischt worden zu sein.
    Schlagartig begriff er: Das Buch barg etwas, das nicht für seine Augen bestimmt war. Seine Mattigkeit war plötzlich wie weggeblasen.
    „Sieh an. Ist das nicht eines der beiden Bücher, die ihr beim Angriff des Hundes

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