Der Seelenhändler
zum anderen hüpfend. Auch Paul und Arnulf mitsamt seiner Familie waren darunter. Ebenso der Saurauer, Metschacher, die Kaufherren aus Steyr und sogar der Inquisitor. Bis plötzlich Katharina auftauchte. Sie flog am dunklen Himmel auf einem geflügelten Pferd heran, schwebte hernieder und gab dem Schachbrett einen Stoß. Schreiend fielen die Figuren um und lösten sich in einen blutroten Nebel auf, während das Schachbrett selbst in tausend Teile zerbarst. Worauf sich Katharina vom geflügelten Pferd zu ihm und Bertram herunterbeugte und sie zu sich aufs Pferd zog. Dann schwebten sie gemeinsam der Sonne entgegen.
An dieser Stelle endete der Traum.
In halbwachem Zustand blinzelte Wolf mit den Augen. Schlaftrunken lächelte er vor sich hin. Doch mit einem Mal fuhr er von seinem Lager hoch. Er war hellwach. Und er erschrak. Denn ihm war plötzlich eingefallen, dass er Katharina von Klingfurth gerade einmal vier Tage kannte.
Das Lächeln auf seinem Gesicht erstarb.
Was für ein dummer Traum, dachte er.
Er schalt sich einen Narren und drehte sich auf die andere Seite. Aber kaum, dass er erneut eingeschlafen war, fuhr er abermals hoch.
So unwirklich, wie der Traum einerseits war, hatte er ihm andererseits erneut die Realität bewusst gemacht, der er sich gegenübersah: Es war nicht nur ein Spiel, das er spielte. Es waren zwei voneinander getrennte Partien, die er zu bewältigen hatte.
Zum ersten Mal stellte er sich die Frage, ob er beide gewinnen konnte.
14
Irgendwann während der Nacht hatte es aufgehört zu regnen. Noch war es kühl, wenn auch der wolkenlose Himmel, der sich an diesem frühen Freitagmorgen strahlend blau über dem Ennstal wölbte, versprach, dass der Tag bald wärmer werden würde.
Katharina von Klingfurth befand sich auf dem Weg zur provisorischen Bibliothek, die aufgrund von Umbauarbeiten im Noviziatsgebäude untergebracht worden war. Am Tag vorher hatte ihr Bruder Basilius, der vorübergehend auch das Amt des Armarius verwaltete, die Erlaubnis erteilt, in einigen Werken Nachforschungen anzustellen.
Katharina schritt gerade am Werkhaus vorbei, das mehrere Werkstätten und Arbeitskammern barg und von geschäftigem Lärmen erfüllt war, als sie kurz vor der Schaffnerei einen Mann bemerkte, der einige Kisten, die mit alten Decken und Sacktuch abgedeckt waren, von einem Karren wuchtete. Der Mann trug keine Kutte, sondern die übliche Kleidung eines gewöhnlichen Bauern. Es war einer der „Brüder des Gehorsams“, jener Gruppe von Männern, die innerhalb des Klosters Dienst taten und sich den Regeln des Hauses freiwillig unterwarfen, ohne ein Gelübde abgelegt zu haben.
Katharina grüßte schon von Weitem. Brummend gab der Mann den Gruß zurück. Soeben hatte er wieder eine der Kisten heruntergehoben und neben sich abgestellt. Beim Näherkommen bemerkte Katharina, dass ihr ein unangenehmer Geruch entströmte, und richtete unwillkürlich ihren Blick darauf. Über dem Inhalt des Behältnisses wölbte sich eine leinene Decke, die ursprünglich einmal weiß gewesen sein mochte; mittlerweile hatten die Jahre sie jedoch schmutzig und unansehnlich werden sowie die Ränder ausfransen lassen.
Schon wollte sie an dem Mann mit den Kisten vorbeigehen, als sie plötzlich stutzte.
Abrupt blieb sie stehen. Der Pfeil des Erkennens traf sie völlig unvorbereitet und jagte ihr einen frostigen Schauer über den Rücken.
Ungläubig starrte sie auf das Leinen – narrte sie eine Täuschung?
Nein – keine Täuschung!
Es war das Wappen! Unzweifelhaft!
Das Wappen mit dem Eberkopf. Umrahmt von einem ringförmigen Kranz aus Blättern.
Das Emblem, das auch die beiden Schmückstücke zierte, die Wolf in Arnulfs Versteck gefunden hatte.
Das Zeichen des „Ebers von Rieden“!
Klar und deutlich prangte es, kunstvoll gestickt, auf der grauen, schmutzigen Decke!
Schwindel ergriff die Klingfurtherin. Sie begann, schneller zu atmen.
Erstaunt blickte der Mann sie an. Ihm war der seltsame Blick der jungen Frau nicht entgangen..
„Sagt Bruder … wie ist Euer Name?“, fragte Katharina mit vor Erregung zitternder Stimme.
„Heinrich“, antwortete der Mann verwundert. „Ich bin Bruder Heinrich, einer der Brüder des Gehorsams, edle Dame. Ich diene in der Schaffnerei. – Kann ich Euch helfen? Geht es Euch nicht gut?“, fügte er besorgt hinzu.
„Nein, nein … es ist alles in Ordnung … macht Euch keine Sorgen“, erwiderte sie, lächelte und setzte dann zu einer weiteren Frage an. „Sagt, Bruder …
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