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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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wahrgenommen, als er, nachdem seine Wache zu Ende war, das Torhaus verließ?“, fuhr Wolf mit der Befragung fort.
    „Ja“, erwiderte der Graf.
    „Wann beginnt der abendliche Wachdienst?“, forschte Wolf weiter.
    „Im Sommer um die Zeit der Komplet herum, noch bevor es dunkel wird.“
    „Das bedeutet: Als Kuno um diese Zeit das Torhaus betrat, um seinen Dienst anzutreten, war das Schreiben noch nicht dort deponiert gewesen.“
    „Nein, natürlich nicht.“
    „Folglich muss es jemand in den Türspalt gesteckt haben, nachdem er seinen Dienst begonnen hat. Was wiederum bedeutet, dass der Betreffende dies getan hat, ohne von Kuno entdeckt zu werden. Wie konnte das geschehen?“
    Der Graf schüttelte den Kopf. „Darüber habe ich noch nicht nachgedacht“, gab er stirnrunzelnd zu.
    „Hielten sich die Nacht über Fremde oder Gäste in der Burg auf?“
    „Nein, außer den beiden Spielleuten, die gestern von Euch in der Buchau aufgegriffen wurden.“
    „Die könnt Ihr getrost vergessen. Von denen kann es keiner gewesen sein. Schließlich suchen wir die Person, die die Gürteltasche verloren hat. – Andererseits, Graf“ – er hielt plötzlich inne und strich sich nachdenklich mit der Hand über die Stirn; ihm war gerade ein völlig neuer Gedanke gekommen – „auf der Burg herrscht jeden Tag reger Verkehr. Wäre es nicht denkbar, dass ein Besucher sich hier irgendwo die Nacht über versteckt und am nächsten Tag, während all der Betriebsamkeit, unauffällig die Burg wieder verlässt, nachdem er – sagen wir – seine Mission beendet hat?“
    Der Graf sah auf. Eine Spur Hoffnung lag in seinem Blick.
    „Natürlich. Das wäre durchaus denkbar. Ihr wisst selbst, wie viele Stellen es auf der Burg gibt, die als Schlupfwinkel dienen könnten. Wenn ich nicht irre, wollt Ihr damit andeuten, dass der, dem die Tasche gehörte und der den verdammten Brief hier deponierte, gar nicht zum Personal der Burg gehören muss.“
    „Zumindest sollten wir diese Möglichkeit mit in Erwägung ziehen. Andererseits sollten wir daran denken, dass der Überfall auf die Venezianer nur erfolgreich sein konnte, weil die Schnapphähne Zeit und Umstände des Transportes genau kannten. Die aber konnte ihnen nur jemand offenbart haben, der entweder auf Gallenstein zu Hause ist oder zumindest einen guten Kontakt zur Burg unterhält.“
    „Mit anderen Worten: Ich muss nach wie vor davon ausgehen, dass ein skrupelloser Verräter in meiner unmittelbaren Nähe sein Unwesen treibt“, stellte der Graf bitter fest.
    „Wir werden ihn ausfindig machen. Früher oder später“, versuchte Wolf dem Saurauer Mut zu machen.
    „Gebe Gott, dass dies gelingt“, fügte der Prior skeptisch hinzu. „Was schlagt Ihr denn nun vor?“
    „Wir werden die angekündigten Nachrichten und Anweisungen, die angeblich aus Venedig kommen werden, abwarten müssen. In der Zwischenzeit werde ich mich etwas näher mit dem Personal auf der Burg beschäftigen.“
    Plötzlich begann eine der tönernen Talglampen auf dem Tisch unruhig zu flackern und erlosch, von einem leisen Zischen begleitet, schließlich ganz.
    Es war wie ein Signal. Mit einem Mal wurde den Männern bewusst, wie müde sie waren.
    „Nun denn. Ich denke, für heute dürften die Dinge geklärt sein. Es wird Zeit, dass Ihr Euer Lager aufsucht. Ihr seid erschöpft“, wandte sich der Saurauer an seine Besucher.
    „Ja, höchste Zeit“, antwortete der Prior einsilbig vor Müdigkeit und erhob sich.
    Auch Wolf stand auf. „Soll ich Euch helfen, in Euer Schlafgemach zu gelangen?“, fragte er den Grafen mit einem Blick auf dessen lädiertes Bein.
    „Danke! Nicht nötig“, entgegnete der Saurauer und deutete mit dem Kopf hinüber zum Fenster. Darunter verriet eine mit Decken und Fellen gepolsterte Bank, dass er die Nacht in seiner Studierkammer zu verbringen gedachte.
    In dieser Nacht träumte Wolf von der Klause den Traum vom Schachzabel. Ein riesiges Schachbrett schwebte am Himmel und verdunkelte die Sonne. Er selbst befand sich auf der Erde und kam sich winzig klein vor. Auch Bertram war bei ihm. Plötzlich tauchte am anderen Ende des Brettes ein skelettierter Schädel auf: Der Tod grinste ihm entgegen – sein Gegner in dem ungleichen Spiel, das man ihm aufgezwungen hatte zu spielen. Langsam sank das Brett zur Erde nieder und blieb direkt vor ihm und Bertram in der Luft stehen. Auf einmal sah er auch die Figuren des Spiels. Sie lebten. Tanzten und sangen schreckliche Lieder, von einem quadratischen Feld

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