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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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Hinweis. Sie sind ihr begegnet.“
    Tatsächlich hatte Wolf – drei Tage nachdem er Heinrich und Rudlin aufgegriffen hatte – die beiden Sektenprediger gefragt, ob sie bei ihren ausgedehnten Reisen zufällig auf irgendwelche Gruppen von Gauklern getroffen seien. Ja, das sei der Fall gewesen, hat-ten sie geantwortet. Irgendwo bei Gloggnitz seien sie einer begegnet. Anfang Juni müsse es gewesen sein. Weiteren Einzelheiten entnahm Wolf, dass es sich dabei tatsächlich um die Truppe um „Rufus dem Riesen“ gehandelt hatte. Und bei einer Unterhaltung, die Heinrich mit einem der Spielleute namens Erasmus führte, hatte dieser erzählt, dass die Truppe dem umgekehrten Verlauf des Weges folgen würde, den der große Ulrich von Liechtenstein vor über einhundertfünfzig Jahren genommen habe. Als „Frau Venus“ verkleidet war der berühmte steyrische Ritter, im Dienst der Minne, im Verlauf von neunundzwanzig Tagen von Mestre, das im Welschland lag, bis an die Grenze Böhmens gezogen. So hatte er es zumindest in einer von ihm verfassten Schrift, betitelt „Frauendienst“, behauptet. Außerdem hatte Erasmus den beiden Predigern gesagt, dass sich die Truppe an jedem Ort ihrer Reise zwischen vier und sechs Tagen aufhalten würde.
    Diese Angaben ermöglichten es Wolf, der im „Frauendienst“ des Liechtensteiners nachgelesen hatte – das Werk befand sich in der Bibliothek des Stiftes –, den Aufenthaltsort der Truppe ziemlich genau zu bestimmen; sie musste sich in der Gegend um Friesach herum aufhalten, wo er sich so schnell wie möglich auf die Suche nach ihr machen wollte.

16
    Montag, der vierzehnte August, war ein Markttag, und die Stadt Friesach summte vor Geschäftigkeit. Viel Volk schob sich durch die Straßen und Gassen. Inzwischen war es Mittag geworden, und Wolf atmete auf, als er kurz nach der Sext endlich den Marktplatz erreichte. Er war zu Fuß unterwegs. Den Rappen hatte er in die Obhut der Stadtknechte gegeben, die sich, gegen ein geringes Entgelt, auf einem speziell dafür ausgewiesenen Platz um die Reittiere der ankommenden Besucher kümmerten, denn in der drangvollen Enge zwischen den Ständen und Buden gab es kein Durchkommen hoch zu Ross.
    Auf dem Weg hierher hatte er einige schmale Gassen durchschreiten müssen, in deren mittigen Abflussrinnen eine vor sich hin faulende Brühe aus Fäkalien, Essensresten und anderem Unrat stand, an der sich Schweine und Hunde gütlich taten. Stadtluft macht zwar frei, aber sie stinkt erbärmlich, stellte Wolf bei sich fest.
    Während er sich durch die Massen schwatzender und feilschender Besucher hindurchzwängte, vorbei an schreienden Krämern und wild gestikulierenden Händlern, hielt er unentwegt nach der Gauklertruppe Ausschau.
    Plötzlich erblickte er, abseits von den Ständen, auf einem kleinen freien Platz zwei große Wagen, die mit grellen bunten Tüchern geschmückt waren. Es waren die Karren der Spielleute, zwischen denen sich so etwas wie ein Podest befand, auf dem die Darbietungen erfolgten. Es war mit einem großen hölzernen Rahmen verse-hen, an dem ein gewaltiger Vorhang hing, eine Applikation aus ebenso grellfarbigen, billigen Stofffetzen wie jene, die die Wagen schmückten. Er war gerade im Begriff, zugezogen zu werden – offenbar war soeben eine Vorstellung zu Ende gegangen. Dafür sprach auch die große Menge Menschen, die sich noch auf dem freien Platz vor der Bühne aufhielt. Scherzend und lachend wogte sie ihm entgegen; das dargebotene Stück musste ein voller Erfolg gewesen sein.
    Mühsam schritt Wolf gegen den Strom an, bis er schließlich einen der beiden Wagen, welche die Bühne flankierten, erreicht hatte. Suchend ging er um ihn herum und bemerkte einen hohen Verschlag aus Brettern und Tüchern, der sich hinter der Bühne befand und aus dem Gelächter und Stimmen drangen.
    In gleichen Augenblick wurde eines der Tücher wie ein Vorhang beiseitegeschoben und heraus trat ein Hüne von einem Mann, wie Wolf noch nie einen zuvor gesehen hatte. Er überragte ihn um fast zwei Haupteslängen.
    Rufus der Riese stand vor ihm.
    „Sucht Ihr jemanden, hoher Herr?“, fragte der Hüne mit einer freundlichen, aber unglaublich hohen Stimme. Überrascht schaute Wolf zu ihm auf. Die Fistelstimme stand in völligem Gegensatz zur äußeren Erscheinung des Riesen, der eigentlich über einen bärenstarken Bass hätte verfügen müssen.
    „Nun ja, ich suche in der Tat jemanden. Eine Frau, eine Tänzerin, die zu Eurer Truppe gehört“, kam Wolf sogleich zur

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