Der Seelenjaeger
folgten Tefans ausgestrecktem Arm und tatsächlich bewegte sich die linke Hand des verdreht liegenden Körpers.
„Wie macht er das?“, fragte Lara verblüfft. „Jeder normale Mensch wäre mindestens zwei Mal bei dem Aufprall umgekommen.“
„Egal!“, rief Knox. „Los! Nehmt die Beine in die Hand!”, befahl er und rannte auch schon auf das weite Feld hinaus.
Wir stürmten hinter dem Krix her, hofften, er wüsste, was er tat. Nach ein paar Schritten hatten wir das blaue Männlein mit den kurzen Beinchen bereits eingeholt. Zad schnappte Knox und klemmte ihn sich lässig unter den Arm. Erschrocken quietschte und fluchte der Kleine, doch wehrte er sich nicht. Wahrscheinlich sah er ein, dass wir so am schnellsten von dem Jäger wegkamen.
„Zu dem Baum“, kreischte er, während sein Kopf hektisch an Zads Seite wippte.
Lara führte die Gruppe an. Wir rannten auf den riesigen Baum zu, als wäre der Teufel hinter uns her. Der Seelenjäger war zumindest von der Namensgebung auch nicht weit von dem Herrscher der Unterwelt entfernt. Sobald wir einen Augenblick zum Durchatmen bekämen, müsste ich unbedingt herausfinden, was genau es mit dem auf sich hatte.
Hoch hinauf
Schnaufend kamen wir hinter dem breiten Stamm zum Stehen. Der Baum war riesig und bot ausreichend Platz, um uns alle in seinem Schatten aufzunehmen. Auch wenn wir uns an den Händen gefasst und uns um den Stamm gestellt hätten, wären wir nicht in der Lage gewesen, den Kreis zu schließen. Die Ausmaße dieses Naturwunders waren einfach gigantisch. Die Höhe des verwunschen wirkenden, verdrehten Baumes konnte ich überhaupt nicht einschätzen, da ein dichtes Blätterdach den Blick nach oben verhinderte.
„Er liegt noch immer an dem Stein rum“, setzte uns Knox in Kenntnis, nachdem er um den Stamm gespäht hatte.
Wenigstens eine kurze Verschnaufpause ist uns vergönnt
, dachte ich erleichtert.
„So Jungs, jetzt mal Klartext“, meldete sich Lara zu Wort. „Wir sind erst mal entkommen. Die Waffe, die beängstigenden Worte, die dieser Düstere mit rauer Stimme von sich gab und die beunruhigend gewaltige Gestalt des sogenannten Seelenjägers habe ich wahrgenommen. Wir sind, wahrscheinlich zu recht, gerannt, wie die Irren, um ihn uns vom Hals zu schaffen, aber
wer
ist er eigentlich? Warum Seelenjäger? Was tut er? Und …“
„Eins nach dem anderen, meine Blume“, unterbrach Tefan sie und ließ sich mit dem Rücken am Baumstamm hinuntergleiten. Zad - ich hatte für mich beschlossen, erst mal bei diesem Namen zu bleiben, da er mir über die letzten Jahre vertrauter geworden war als Sam – hatte es sich ebenfalls auf dem Boden bequem gemacht und ließ seinen Blick über die Weiten des Feldes gleiten. Ich lief nachdenklich auf und ab, während ich versuchte, Ordnung in das Chaos meiner Gedanken zu bringen.
„Der Seelenjäger ist ein Wesen, welches den Weg aus dem Wald der süßen Träume herausgefunden hat“, begann Tefan zu erklären und ließ mich aufhorchen. Ich hörte auf tiefe Furchen in den Rasen zu laufen und setzte mich neben Lara ins Gras. Auffordernd nickte ich dem Banditen zu und er fuhr nach einem kurzen Räuspern fort: „Wie alle Gestalten, die in diesem Wald beheimatet sind - beziehungsweise waren, müsste ich mittlerweile sagen - ist er ein Hirngespinst von jemandem, der den Wald passierte. Allerdings könnte er auch eine Person sein, die es nicht durch den Wald schaffte und sich in ihre eigene Fantasiegestalt verwandelte. Das kann man so genau nicht beurteilen, doch sei gesagt, dass den Erzählungen zufolge, nur wenige den Weg aus dem Wald der süßen Träume gefunden haben. Wenn er also …“
Meine Gedanken schweiften ab und ich richtete meine Aufmerksamkeit auf das dichte Blätterdach über unseren Köpfen. Ein Rauschen durchlief die Krone des mächtigen Baumes. Die Blätter bewegten sich sanft.
Merkwürdig
dachte ich,
ich spüre keinen Wind.
Keiner meiner Gefährten, schien Notiz von dem Rascheln zu nehmen. Knox spähte weiterhin um den Stamm herum und hielt den Seelenjäger im Blick. Zad und Lara lauschten gebannt Tefans Erzählungen. Dass der Bandit noch immer redete, bekam ich nur am Rande meines Bewusstseins mit.
Ein kaum wahrnehmbares Wispern mischte sich in die Geräusche über mir.
Spricht dort jemand?
Ich meinte zarte Stimmen zu vernehmen oder spielten mir meine Sinne einen Streich?
„Wer sind sie?“
Ich zuckte zusammen. Das war auf keinen Fall eingebildet. Ich konzentrierte mich, versuchte das immerwährende
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