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Der Seelenleser

Der Seelenleser

Titel: Der Seelenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harper Paul
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betrunken, um sich noch die Mühe zu machen, von dem schmutzigen Sofa aufzustehen, als sie wieder aufs Klo musste. Sie blieb einfach sitzen, machte in die Hose und blickte ihn mit einem verwunderten Stirnrunzeln an.
    Als sie fertig war, zuckten ihre Augenbrauen kurz hoch, und sie zog sich in sich selbst zurück. Ihre Schultern sackten nach unten, ihr Kopf rutschte in den Nacken. Sie sank nach vorne und hielt ihren Oberkörper eine unnatürlich lange Zeit in einem 45-Grad-Winkel. Dann kippte sie weiter nach vorne und versank in ihrem eigenen Schoß. Ihr Kopf lag seltsam verdreht auf ihren Knien.
    Es war perfekt. Der Kopf war genau im richtigen Winkel verdreht, um die Luftzufuhr in ihrer Kehle weiter einzuschränken. Es würde noch schneller gehen, als er gedacht hatte. Er schlug ein Bein über das andere, schaute auf die Uhr und wartete.
    Schon bald schnarchte sie laut. Innerhalb weniger Minuten veränderte sich ihr Atem in ein derbes, lautes Ächzen. Es wurde immer mühsamer, als der Drogencocktail an ihren Gehirnzellen angelangt war und ihr zentrales Nervensystem die Kontrolle über die Muskeln verlor. Ihre Atembemühungen verwandelten sich in ein seltsames Keuchen.
    Dann folgte Stille.
    Er wartete. Stille. Ihr Körper bäumte sich einmal kurz auf, keuchte. Er wartete. Ein paar Minuten vergingen. Er überprüfte ihren Puls am Handgelenk und am Hals.
    Er benötigte etwa fünf Minuten, um alle Anzeichen zu tilgen, dass sie Gesellschaft gehabt hatte. Er verteilte den Rest der Drogen und ließ ein paar Tabletten auf den schmutzigen Boden fallen.
    Falls sie nicht zu stinken begann, würde sie erst in zwei Wochen gefunden werden, wenn die Miete wieder fällig war.

Kapitel 13
    Rumeur war ein kleiner Laden in der Nähe der Palm Alley in North Beach. Die Inhaberin, Wanda Pace, hatte sich mit ihrem eigenartigen Geschäft auf ausländische antike Tintenfässer und Fotografien von Menschen mit kuriosem Äußerem spezialisiert. Ihre Waren bezog sie aus den Gassen und Flohmärkten von Kairo, Hongkong und Mexiko-Stadt.
    Vor mehreren Jahren hatte Wanda einem berühmten Anwalt aus San Francisco eine Sammlung von Fotografien aus Peking abgekauft. Bevor er sie ihr jedoch übergeben konnte, wurde er ermordet. Fane war damals noch beim SID gewesen und hatte gegen den Anwalt in einer anderen Sache ermittelt. Er hatte Wanda geholfen, ihren Namen aus der Sache herauszuhalten, und er hatte ihr dabei geholfen, dass sie die Fotografien erhielt, bevor sie in der Erbmasse verschwanden.
    Seitdem hatte Wanda immer ein Hinterzimmer für ihn zur Verfügung, wenn er für ein paar Stunden ungestört sein wollte. Zusätzlich hielt sie für ihn die Straße im Blick.
    » Ist lange her«, sagte Wanda mit einem sanften Lächeln, als sie Fane einließ, der am Nebeneingang wartete. Er beugte sich in den Schleier aus Gardenienduft hinab, mit dem sie sich umgab, und küsste sie auf die Wange.
    » Noch einmal danke dafür«, sagte er. » Ein Taxi wird sie in den nächsten Minuten herbringen.«
    Wanda war in dem unbestimmbaren Alter jenseits der Lebensmitte, ohne jedoch alt zu wirken. Sie war dünn und bleich und trug immer modische Hemdblusenkleider. Ihr hennagefärbtes Haar war in einer lockeren, an den Stil der 40er Jahre erinnernden Frisur zurückgekämmt. Sie bewegte sich mit der anmutigen Selbstverständlichkeit einer Frau durch ihre Geschäftsräume, die nicht erwartet, irgendwann noch einmal vor ein Problem gestellt zu werden, das sie nicht lösen kann.
    Sie gingen in das vordere Zimmer, wo Wanda bei Fanes Ankunft an einem alten Tisch gesessen hatte, der mit Bergen von Dokumenten und Geschäftspapieren bedeckt war. Neben dem Fenster bei ihrem Tisch schnatterten zwei zitronengelbe Kanarienvögel leise in einem Art-déco-Käfig. Das dumpfe graue Licht, das von draußen hereinkam, ließ die Konturen der Tintenfässer, die sich auf unzähligen gläsernen Regalbrettern an der Wand befanden, verschwimmen.
    Auf der anderen Straßenseite schob sich ein Taxi an den Bordstein. Die Frau im Taxi bezahlte den Fahrer, öffnete die Tür und stieg aus.
    » Ach. Du. Meine. Güte«, sagte Wanda. » Ist sie das?«
    » Pünktlich auf die Minute.«
    Lore trug ein eng anliegendes saphirblaues Strickkleid. Ihr aufgetürmtes Haar war tiefschwarz, ihr Mund leuchtete karmesinrot. Die Straße war zu steil, um sie in Stöckelschuhen überqueren zu können, daher hielt sie sich mit einer Hand an der offenen Tür des Taxis fest, zog, ohne mit der Wimper zu zucken, die Schuhe aus,

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