Der Seelenleser
zu sezieren.
Warum log sie? Was waren die wahrscheinlichsten Gründe?
Nummer eins: Vielleicht entsprach doch der Wahrheit, was sie gerade herausgeplappert hatte, und sie hatte kalte Füße bekommen. Er hatte das selbst schon bei Profis erlebt, daher könnte es natürlich auch ihr passiert sein. Aber wenn das, was sie gesagt hatte, wahr war, dann hatte sie ihn wegen etwas anderem angelogen.
Nummer zwei: Möglicherweise war sie auf eigene Ideen gekommen, was man mit den kopierten Dateien alles anstellen könnte. Vielleicht hatte sie sich entschlossen, auch eine Kopie für sich selbst zu machen. Hatte sie eine kleine Erpressung im Sinn? Glaubte sie, dass sie die Informationen aus diesen Unterlagen zu Geld machen könnte? Sie war schon immer geldgierig gewesen. Vielleicht war sie gieriger, als er gedacht hatte.
Nummer drei: Es konnte auch sein, dass sie während des letzten Einbruchs erwischt worden und von der anderen Seite angeworben worden war. Aber er konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie das abgelaufen sein könnte. Zudem war sie, als er sich eine Stunde danach mit ihr getroffen hatte, viel ruhiger gewesen als jetzt. Was auch der Grund für ihre Nervosität war: Es musste nach ihrem letzten Treffen geschehen sein.
Außer diesen direkt offensichtlichen Möglichkeiten konnte er keine einigermaßen logischen Erklärungen finden. Aber irgendetwas ging außerhalb seines Blickwinkels vor, und alle Alarmglocken läuteten.
» Ich habe eine Idee«, sagte er, als sie wieder bei Celias Auto ankamen. » Ich lasse noch einmal überprüfen, ob das Zeug, das ich benötige, auch wirklich da ist. Es gibt keinen Grund, heute dort hinzugehen, wenn nichts passiert ist. Ich sage dir Bescheid.«
Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu und versuchte, sein Gesicht im Licht der Bäckerei zu lesen. Dann drehte sie sich um, trat vom Bürgersteig und ging um das Auto herum. Sie schloss die Fahrertür auf und schaute ihn noch einmal über das Autodach hinweg an.
» Ich sage dir Bescheid«, wiederholte er.
Sie öffnete die Tür und stieg ein. Er schaute zu, wie sie die Türen verriegelte. Dann ließ sie das Auto an, fuhr aus der Parklücke hinaus und davon.
Kapitel 31
Während Vera mit Elise und Lore an den gefälschten Einträgen für die Protokolle arbeitete, ging Fane durch die Dämmerung die Hyde Street hinunter. Als er Hastings Terrace erreicht hatte, bog er in die kurze Sackgasse ein, in der Jon Bücher seinen Laster neben einem Laden für Kunsthandwerk und Antiquitäten geparkt hatte.
Er klopfte an die Hecktür, und Roma öffnete ihm. Er schlüpfte hinein und setzte sich.
» Ich würde sagen, dass wir ganz gut dastehen«, sagte sie und drückte den Plastikdeckel auf ihren Pappbecher mit Kaffee. » Libbys Team ist bereits in der Gegend.«
» Hast du ihnen die wichtigsten Zusammenhänge erklärt?«
» Klar.«
» Nichts von Celia gehört?«
» Sie hat nicht angerufen, und ich rufe sie auch nicht an. Das war der Plan. Wir fanden beide, dass es sicherer ist, wenn wir so wenig wie möglich miteinander kommunizieren. Außerdem denke ich, dass es sie komplett wuschig machen würde, wenn sie jedes Mal mit mir reden könnte, sobald sie Bauchschmerzen wegen der Sache bekommt.«
Fane wandte sich an Bücher. » Erik ist in Bereitschaft?«
Bücher nickte. » Wenn wir uns sicher sind, dass die Jagd losgeht, rufe ich ihn an. Er ist nur zehn Minuten von hier entfernt.«
Erik Kao war Assistent für Datenmanagement am Fachbereich Informatik der Universität von Berkeley. Bücher vertraute ihm regelmäßig solche Aufträge an. Sobald sie Krolls Computer gefunden hatten, würde Kao an Ort und Stelle entscheiden, wie sie Krolls Datenschatz am besten sicherstellen konnten: entweder durch Kopieren oder durch Mitnehmen. Falls es nicht machbar war, den oder die Rechner abzubauen, würde Kao alles kopieren müssen, was in Krolls Besitz war, und dann alles komplett löschen. Keine Spur von Vera oder ihren Klienten durfte hinterher zu finden sein.
» Habt ihr die Autos präpariert?«
» Wir sind noch dabei«, sagte Bücher und nickte in Richtung des Monitors. Alle sechs an der Aktion beteiligten Autos– Fanes, Romas, Libbys, Marks, Reeds und Büchers– waren mit einem Peilsender ausgestattet worden, sodass jedes in einer unterschiedlichen Farbe als Punkt auf dem Monitor dargestellt wurde. Auch die anderen Autos hatten so einen Monitor, jeder würde zu jedem Zeitpunkt wissen, wo sich die anderen aufhielten.
Fane hatte beschlossen, auch
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