Der Seelenleser
Er verlässt die CIA , weil die Probleme mit seinen Befragungstechniken haben, und fängt an, für Vector zu arbeiten. Er bekommt den Currin-Auftrag und erfährt, dass Currins Frau zu einer Psychoanalytikerin geht. Das wäre doch für ihn die perfekte Möglichkeit, die Ergebnisse seiner Experimente auszutesten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er nur die Folterzellen der Geheimgefängnisse als Spielplatz gehabt. Jetzt könnte er beweisen, dass er es auch in der › normalen‹ Welt hinbekommt.«
» Selbstmord als Mord?« Roma begann, den Faden weiterzuspinnen. » Aber wie viele mögliche Ziele– oder Opfer– könnte es geben, deren Psyche so eine Vorgehensweise zulässt und deren psychologischer Hintergrund für ihn verfügbar ist? Das erscheint mir doch etwas unpraktisch.«
» Vorsorgliches Ausspionieren ist im letzten Jahrzehnt schwer in Mode gekommen«, warf Fane ein. » Vielleicht müssen wir den Begriff des › Ziels‹, wie er früher im Spionagewesen üblich war, neu überdenken. Wenn du ein Mietspion-Unternehmen hast, verfügst du über jede Menge ehemalige Geheimdienstmitarbeiter, und du arbeitest sowohl für weltweite Konzerne als auch für unabhängige Staaten. Es ist nicht schwer, vorherzusehen, wie sich die Trennlinie zwischen diesen verschiedenen Kundentypen langsam verwischt. Wenn Hunderte von Milliarden Dollar auf dem Spiel stehen, wird auch der Unterschied zwischen › Mitbewerber‹ und › Feind‹ immer undeutlicher.«
Roma blieb einen Augenblick still.
» Dieser Gedanke ist ziemlich sperrig«, sagte sie schließlich. » Du behauptest also, falls Kroll den unsichtbaren, perfekten Mord anbietet, wäre das eine verlockende Option für diejenigen in den Konzernen weltweit, die mit hohen Einsätzen spielen?«
» Ich sage: Wenn Kroll beweisen kann, dass er das wirklich hinbekommt, dann verspreche ich dir, gibt es jede Menge Leute, die Arbeit für ihn finden.«
Roma war verstummt. Fane wusste, dass sie diese Theorie durch ihre eigenen Filter laufen ließ.
» Es ist dann kein Wunder, dass Elise und Lore durch diesen Typ so aus der Fassung geraten sind«, stimmte Roma endlich zu. » Sie haben seine üble Ausstrahlung schon lange gespürt, bevor er gemein zu ihnen wurde.«
» Ich glaube, jetzt haben wir ein wirkliches Problem«, sagte Fane.
Kapitel 35
Lore Cha schwamm. Sie war nackt, und sie war alleine. Um das Schwimmbecken herum standen Palmen, dahinter breitete sich ein perfekt grüner Rasen aus, der zu einem alten viktorianischen Gebäude führte, das verfallen und verlassen wirkte. Sie tauchte zum Boden des Beckens hinunter und glitt dann wieder durch das Wasser zu dem schwächer werdenden Licht der Dämmerung hinauf.
Als sie an die Oberfläche kam, prallte sie gegen etwas Weiches, Durchsichtiges. Eine undurchdringliche Schicht bedeckte das Wasser. Verwirrt schwamm sie zum Beckenrand, doch die durchsichtige Folie gab sie nicht frei. Sie geriet in Panik.
Dann tauchte das verwischte Bild eines Mannes am Rande des Beckens auf. Sie schrie um Hilfe. Er ließ sich auf Hände und Knie herab und krabbelte langsam auf die durchsichtige Schicht. Auch er war nackt, und er rutschte auf seinem Bauch wie eine Eidechse, er glitt über die Oberfläche auf sie zu. Es war Kroll. Er zeigte kein Interesse daran, ihr zu helfen. Stattdessen legte er sich hin, seinen Körper direkt über ihrem ausgebreitet, und grinste sie böse an.
Plötzlich war Lore am Ersticken… und Ertrinken.
Sie öffnete die Augen und schnappte nach Luft. Die Lichter der Bay Bridge glitzerten weit unter ihr, die Lichter von Oakland funkelten am Horizont.
Ihr Nacken schmerzte. Sie wischte sich den Mund ab und rollte sich auf die Seite. Sie griff nach dem Bettlaken und hievte sich auf das Bett zurück. Wie lange hatte sie dort auf dem Boden gelegen? Sie blieb still liegen, bemühte sich, ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Sie schob sich die Haare aus dem Gesicht und blickte hinaus auf die Brücke und die Lichterkette des Fahrzeugstroms. Eines Abends würde sie zu viele von diesen verdammten Schlaftabletten nehmen, sie mit zu viel von diesem verdammten Likör herunterspülen, und sich aus reiner Blödheit damit töten– der Tod einer dummen asiatischen Tussi.
Sie wandte den Kopf, um auf die Uhr zu schauen. Kurz nach Mitternacht. Sie erinnerte sich, dass Richard gerade in Chicago war. Auch wenn das eigentlich egal war. Sie war immer alleine. Überwältigende Wohnung. Überwältigende Aussicht. Überwältigende
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