Der Seelenleser
kam.
» Elise.«
Sie zuckte zusammen, und Lore setzte sich neben sie.
» Das war ein verdammt starker Auftritt«, sagte Lore.
» Ich wusste nicht, was ich tat. Ich glaube, ich habe alles versaut.«
» Also ich fand dich verdammt cool. Aber ich saß ja bei Roma im Auto, und die hat dein Auftritt wirklich ein wenig wahnsinnig gemacht. Ich jedenfalls war stolz auf dich.«
Elise blickte Lore an. Diese Anerkennung hatte sie nicht erwartet.
Lore deutete auf Elises Brust und legte den Zeigefinger über die Lippen. Dann machte sie eine Bewegung, dass Elise das Mikrofon aus ihrem Ausschnitt ziehen sollte.
Wieder überrascht warf Elise einen Blick durch die Lobby, bevor sie zwischen die Knöpfe ihrer Bluse griff, den Kopf des Drahtes fand und ihn vorsichtig aus dem Träger des Körbchens zog. Lore gab Elise ein Zeichen, ihr das Mikrofon zu geben, und ging dann zu der großen Treppe hinüber, wo sie den Draht unauffällig auf den Teppich der breiten Stufen fallen ließ.
» Was machen sie jetzt da draußen?«, fragte Elise.
» Soweit ich weiß, verfolgen sie Kroll.«
» Und was ist mit Vera, wo ist sie?«
» Keine Ahnung.«
Elise merkte plötzlich, wie erschöpft sie war. Die Konfrontation mit Kroll hatte sie völlig ausgelaugt.
» Lass uns hier verschwinden«, sagte sie.
Fane saß in seinem Auto und beobachtete die farbigen Punkte auf seinem Monitor, während er der Unterhaltung von Libbys Team zuhörte, das dem Taxi von Nob Hill durch Fillmore, Western Addition und Haight Ashbury bis in den Nebel von Sunset folgte. Als ihnen schließlich der Zickzackkurs des Taxis zu verdächtig vorkam, schloss jemand aus dem Team zu dem Taxi auf und stellte fest, dass es keinen Passagier mehr hatte. Eine kurze Befragung des Fahrers brachte ihnen die Adresse, die Kroll angegeben hatte, bevor er seine Meinung geändert hatte: Sea Cliff Avenue.
Sofort, nachdem er die Adresse gehört hatte, rief Fane Elise an.
» Wo sind Sie?«, erkundigte er sich.
» Wir sind bei mir. Lore ist auch hier.«
» Das ist gut. Hören Sie, wir haben Krolls mögliche Adresse herausgefunden und sind bereits auf dem Weg dorthin.«
Er gab ihr die Anschrift und fragte sie, ob sie oder Lore jemals dort gewesen waren. Falls das der Fall wäre, könnte ihr Wissen vom Aufbau des Hauses Büchers Team helfen, sich dort schneller zu orientieren.
Doch beide konnten mit der Adresse nichts anfangen.
» Nun, da ist noch etwas«, sagte Fane. » Wir haben Kroll aus den Augen verloren. Irgendetwas muss ihm so verdächtig vorgekommen sein, dass er unsere Überwachungsleute abgehängt hat. Ich vermute, dass er sich aus dem Staub machen will. Ich hab so eine Ahnung, dass er zuerst nach Hause fährt.«
» Oh mein Gott«, sagte Elise. » Es tut mir leid, es tut mir so leid. Ich… habe einfach die Beherrschung verloren. Es ist alles meine Schuld…«
» Vergessen Sie es«, sagte Fane. » Das spielt keine Rolle, doch da wir nicht wissen, wo er sich befindet: Überprüfen Sie, ob Ihre Alarmanlage eingeschaltet ist.«
» Sie glauben doch nicht…?«
» Nein, es gibt eigentlich keinen Grund, warum er gerade zu Ihnen unterwegs sein sollte. Trotzdem– ist die Alarmanlage eingeschaltet?«
» Ja, das ist sie. Sollten wir das Haus lieber verlassen, irgendwo anders hingehen?«
» War er jemals bei Ihnen?«
» Nein, nie.«
» In Ordnung, auch wenn das nicht viel zu sagen hat. Ich gehe davon aus, dass er auf der Flucht ist, aber trotzdem werde ich so bald wie möglich jemanden von der Überwachung abziehen und zu Ihnen schicken, einfach um auf der sicheren Seite zu sein, bis wir wissen, was wirklich los ist.«
Fane hielt genügend Abstand zu den wandernden Punkten auf seinem Bildschirm, die sich alle auf den Sunset Boulevard zu bewegten, um von dort aus in Richtung Sea Cliff zu fahren. Es war besser, wenn er Romas Leuten nicht in die Quere kam und sie ihre Aufgabe erfüllen ließ, aber er wollte dennoch in der Nähe bleiben, um im Notfall schnell vor Ort sein zu können.
Er versuchte, die Gedankengänge nachzuvollziehen, die zu Krolls Verschwinden geführt haben konnten. Wahrscheinlich hatte Kroll einfach erkannt, dass Elises Benehmen nicht mit dem übereinstimmte, was er in Veras Unterlagen gelesen hatte. Es war nicht unwahrscheinlich, dass er sich entschlossen hatte, die ganze Sache zu beenden. Sie mussten damit rechnen, dass er auf dem Weg nach Hause war, um seine Sachen abzuholen: Bargeld, gefälschte Dokumente und Pässe. Und Veras Dateien. Fane konnte nur hoffen,
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