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Der Seelensammler

Der Seelensammler

Titel: Der Seelensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donato Carrisi
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liegen
gebliebenen Mietwagen – hätte diese Begegnung auch anders ausgehen können. Hätte
die joggende Unbekannte David auch nur ansatzweise interessant gefunden, wäre
sie selbst nie mit ihm zusammengekommen. In diesem Fall würde jetzt eine andere
um ihn weinen. Doch das Schicksal verfolgte seine eigenen Wege, und oft ergab
es im Nachhinein sogar einen Sinn. Aber worin der Sinn im Fall von Federico und
Giorgia Noni bestehen sollte, erschloss sich Sandra nicht.
    Der Junge versuchte, das Gespräch auf weniger schmerzhafte Themen zu
lenken. »Ich verstehe nicht ganz, warum Sie hier sind.«
    »Der Mörder Ihrer Schwester könnte einen erheblichen Strafnachlass
bekommen.«
    »Ich dachte, er hätte gestanden!« Diese Nachricht schien ihn sehr
mitzunehmen.
    »Ja, aber anscheinend will Nicola Costa jetzt auf geistige Unzurechnungsfähigkeit
plädieren«, log Schalber. »Deshalb müssen wir beweisen, dass er im Vollbesitz
seiner geistigen Kräfte gehandelt hat. Das betrifft die drei Überfälle, aber
vor allem den Mord.«
    Der Junge schüttelte nur den Kopf und ballte die Fäuste. Sandra
empfand Mitleid für ihn und war wütend auf ihren Kollegen, der ihn an der Nase
herumführte. Sie hatte noch kein Wort gesagt, aber ihre Anwesenheit stützte
Schalbers Aussagen, sodass sie sich wie eine Komplizin vorkam.
    Federico sah sie mit funkelnden Augen an. »Wie kann ich Ihnen
helfen?«
    »Indem Sie uns erzählen, wie sich die Sache abgespielt hat.«
    »Schon wieder? Ich weiß nicht, ob meine Erinnerungen nach all der
Zeit noch zuverlässig sind.«
    »Das ist uns durchaus bewusst. Aber wir haben keine andere Wahl,
Signor Noni. Dieser Mistkerl von Costa wird versuchen, die Tatsachen zu
verdrehen, und das dürfen wir auf keinen Fall zulassen. Ihre Aussage war für
seine Festnahme entscheidend.«
    »Er trug eine Sturmhaube, ich habe ihn nur an seiner Stimme
erkannt.«
    »Trotzdem sind Sie der einzige Zeuge. Das ist Ihnen doch klar?«
Schalber zog ein Notizbuch und einen Bleistift hervor und tat so, als schriebe
er jedes Wort mit.
    Federico strich sich über die Bartstoppeln und atmete ein paarmal
tief durch. Sein Brustkorb hob und senkte sich, als würde er gleich anfangen,
zu hyperventilieren. Er begann mit der Schilderung der Ereignisse. »Es war
sieben Uhr abends. Giorgia kam meist um diese Uhrzeit nach Hause. Sie war einkaufen
gewesen und hatte Zutaten für eine Torte besorgt. Ich mag Süßigkeiten«, sagte er
entschuldigend, so als hinge das, was nun folgte, ausschließlich davon ab. »Ich
habe über Kopfhörer Musik gehört und nicht auf sie geachtet. Mit der Torte
wollte sie mich aufmuntern … Ich habe mich nämlich geweigert, mit der
Krankengymnastik fortzufahren, weil ich die Hoffnung, je wieder laufen zu
können, verloren hatte«, erklärte der junge Mann.
    »Und was ist dann passiert?«
    »Ich weiß nur noch, dass ich plötzlich auf den Boden stürzte und das
Bewusstsein verlor. Dieser Mistkerl hatte sich von hinten angeschlichen und den
Rollstuhl umgeworfen!«
    »Haben Sie nicht gemerkt, dass jemand hereinkam?«
    »Nein«, sagte er nur. Er schien einen kritischen Punkt erreicht zu
haben. Es war deutlich, dass im das Reden nun schwerer fiel.
    »Bitte, erzählen Sie weiter!«
    »Als ich wieder zu mir kam, war ich wie benebelt. Ich konnte die
Augen kaum offen halten und hatte Rückenschmerzen. Ich verstand nicht gleich,
was vorgefallen war, aber dann hörte ich von oben ihre Schreie …« Eine Träne
lief ihm übers Gesicht und verschwand zwischen seinen Bartstoppeln. »Ich lag
auf dem Boden, der Rollstuhl stand nur wenige Meter entfernt, war aber kaputt.
Ich habe versucht, das Telefon zu erreichen, doch es lag auf der Kommode. Das
war zu hoch für mich.« Er warf einen Blick auf seine gelähmten Beine: »In
meinem Zustand werden die einfachsten Dinge unmöglich.«
    Schalber zeigte keinerlei Mitgefühl. »Was war mit Ihrem Handy?«
    »Ich konnte es nicht finden, außerdem war ich in Panik.« Federico
drehte sich zur Treppe um. »Giorgia hat ununterbrochen geschrien … Sie hat um
Hilfe, um Gnade gefleht, aber er hat sie nicht verschont.«
    »Und was haben Sie getan?«
    »Ich bin zu den Treppenstufen gerobbt und habe versucht, mich
hochzuziehen. Aber mir fehlte die Kraft.«
    »War das wirklich möglich?« Schalber lächelte süffisant. »Sie waren
mal Leistungssportler. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so schwer ist, da
hinaufzukommen.«
    Sandra warf ihm einen vernichtenden Blick zu, doch er ignorierte
sie.
    »Sie

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