Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
nächsten Vormittag vereinbart, und als sie ihn verschieben wollte, wurde er am Telefon so unflätig, daß Isabelle einsehen mußte, es hatte keinen Zweck, ihm länger auszuweichen.
Obwohl es noch eine Menge zu erledigen und zu besprechen gab, schickte Patrizia sie früh nach Hause, denn Isabelle war direkt vom Flughafen ins Büro gekommen. Obwohl sie dank einer Tablette im Flugzeug geschlafen hatte, war sie todmüde und litt unter Jetlag. Ihre Haushälterin hatte zu ihrer Rückkehr alles auf Hochglanz gebracht, Blumen in die Vasen gestellt, den Kühlschrank gefüllt und das Bett frisch bezogen. Sie ließ ihr ein heißes Bad ein. Während Isabelle badete, brachte Elena ihr eine Tasse Pfefferminztee, die Post der vergangenen zwei Wochen und eine Liste mit den Anrufen, die während ihrer Abwesenheit eingegangen waren.
«Und dann, Miss Corthen ...», sie hatte von Anfang an Miss Corthen zu ihr gesagt, und alle Versuche, ihr diese Anrede abzugewöhnen, die in Isabelles Ohren nach Vom Winde verweht und Onkel Toms Hütte klang, waren fehlgeschlagen, «Frau Mandel hat mehrfach angerufen und um Rückruf gebeten. Es sei dringend.»
Elena hatte in den Jahren, in denen sie bei ihr lebte und arbeitete, ihren amerikanischen Akzent nie ablegen können. Sie fühlte sich als Amerikanerin. Als Isabelle ihr erzählte, daß sie nun auch eine Wohnung in New York habe, begannen Elenas Wangen zu glühen. New York!
«Wann ziehen wir um?» fragte sie lachend und legte zwei dicke, erdbeerrote Frotteebadetücher aus der Corthen-Bath-Collection auf die beheizten Handtuchhalter.
Isabelle goß sich zwei Handvoll schäumendes Badewasser über die Haare und strich sie nach hinten. «Ich verkauf s wahrscheinlich wieder ... war nur so eine Laune.»
Elena ging zur Tür. «Wollen Sie noch essen?»
Isabelle schüttelte den Kopf. «Ich bin todmüde, ich gehe gleich zu Bett. Sie können dann auch Feierabend machen.»
«Danke, Miss Corthen.»
«Frau Mandel hat angerufen? Hat sie gesagt, was sie wollte?» «Nein. Nur, daß es wichtig ist. Soll ich Ihnen Ihr Handy bringen?»
«Ich melde mich morgen bei ihr. Tun Sie mir einen Gefallen, Elena: Nehmen Sie den ganzen Kram hier ...» Sie zeigte über den Badewannenrand hinweg auf die Hermès-Badematte, wo die Postsachen lagen. «Tun Sie's auf meinen Schreibtisch. Für heute ist Feierabend.»
Elena nickte, bückte sich, nahm die Papiere hoch, auf die ein paar Wassertropfen gespritzt waren, und ging.
In dieser Nacht schlief Isabelle tief und traumlos. Erfrischt wachte sie am nächsten Morgen auf, nahm, nachdem sie sich angezogen und geschminkt hatte, in der Küche ein gutes, kräftiges Frühstück ein – Earl Grey, Orangensaft, Toast mit Rührei – und fuhr mit dem Taxi ins Büro.
Peter Ansaldi wartete schon im Vorzimmer. Man hatte ihm wunschgemäß eine Dose Cola gebracht, und er blätterte den Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung durch.
«Morgen!» sagte Isabelle und rauschte durch den Raum. «Du bist zu früh.»
Er faltete die Zeitung zusammen und stand auf. «Ich hatte solche Sehnsucht nach dir! Wir möchten die nächste Stunde nicht gestört werden!» sagte er zu ihrer Sekretärin, folgte Isabelle ins Büro und schloß die Tür hinter sich.
Isabelle setzte sich hinter ihren Schreibtisch, er nahm ihr gegenüber Platz. Seine Coladose stellte er auf die Schreibtischplatte.
«Was ist denn los, Peter? Ich höre, du machst so ein Tamtam ...»
«Tamtam ist gut. Ist dir entgangen, was los ist? Daß unsere Zahlen in den Keller rutschen, daß sich die Einkäufer beschweren? Deine letzte Kollektion war oberscheiße, Darling, wir haben Ärger, und du fragst so sonnenscheinheilig: Was ist los?»
«Nun mal langsam.»
Er lehnte sich zurück, umfaßte die Armlehnen mit den Händen, so, als würde er in seinem Sessel gleich starten und abheben, und lächelte maliziös: «Langsam? Kannst du haben. Ich möchte eine Gesellschafterversammlung einberufen.»
«Mitten im Geschäftsjahr? Warum das denn? Weil eine Kollektion nicht so großartig ausgefallen ist? Bißchen übertrieben, oder?»
Betont lässig schlug er ein Bein über das andere. Er trug einen hellgrauen Flanellanzug, ein blaßblaues Hemd und eine blau-rot gestreifte Krawatte. In seinem Kleidungsstil wurde er Carl immer ähnlicher, in seinen Manieren leider nicht, fand Isabelle.
«Ich möchte nämlich, daß du die Geschäftsführung der Belle Corthen GmbH niederlegst!» erklärte er ungerührt und fuhr sich mit der Zungenspitze genießerisch
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