Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
über die Oberlippe. Er schien eine langgeplante Strategie in die Tat umsetzen zu wollen und wirkte wie jemand, der auf alles bestens vorbereitet war und sich durch nichts von seinem Vorhaben abbringen lassen würde.
Isabelle war so verblüfft, daß sie im ersten Moment kein Wort herausbringen konnte.
«Bist du überrascht? Tatsächlich? Kann man dich noch überraschen? Die abgeklärte Karriere-Tante Belle Corthen? So aus heiterem Himmel kann das doch nicht kommen für dich ...»
«Doch. Aus heiterem Himmel. So kann man es nennen. Ich bin wirklich etwas ... baff. Wieso? Wieso willst du mich ...», sie versuchte, heiter zu wirken, «meines Amtes entheben?»
«Weil es nicht so läuft, wie es laufen sollte. Darum. Weil du dich nicht genügend um den Laden hier kümmerst. Weil hier alle abschlaffen. Allen voran du.»
«Peter! Bitte. Ich habe dir schon häufiger gesagt, ich habe nicht die geringste Lust, mich mit dir in einem solchen Ton zu unterhalten. Wie ich meinen Laden führe, geht dich nichts an. Und das kannst du auch gar nicht beurteilen ...»
Er unterbrach sie. «Und ob ich das kann. Die Zahlen sprechen eine eigene Sprache. Hinzu kommt, das sehe nicht nur ich, das sehen alle, da muß man sich nur mal in der Branche umhören, aber das tust du ja nicht, weil du nur noch in einem Elfenbeinturm sitzt ...»
«Komm zur Sache.»
«... du setzt keine Trends mehr. Wann in den letzten Jahren ist hier, in deinem kreativen Tempel, etwas Innovatives in die Gänge gebracht worden? Wo ich hinsehe: junge, neue, erfolgreiche Designer, neue, witzige Kollektionen. Du machst immer noch deinen altbackenen Kram, Mustermix, Kaschmirkollektion, klassische Linien. Du hast dich überlebt. Du bist, das habe ich dir schon mal gesagt, ausgepowert. Du mußt gehen.»
Isabelle stand auf. Sie zitterte ein wenig. Sie trat ans Fenster und sah hinaus auf die Alster. Es regnete. Ein düsterer Frühjahrsmorgen. Das kleine Mädchen in ihrem Inneren schrie auf, es wollte losheulen. Aber die starke Frau, die sie geworden war, verbot sich jede Gefühlsregung. Sie drehte sich um.
«Wir können gern eine Gesellschaftsversammlung anberaumen. Mir recht. Dagegen wehre ich mich nicht. Im Gegenteil. Dann können wir auch mal darüber reden, ob die von dir in den letzten Jahren entwickelten Konzepte tatsächlich so gegriffen haben. Beispielsweise meinen Namen runterzuwirtschaften, indem wir jedes Jahr aus lauter Geldgier neue Kosmetiklinien auf den Markt ballern, indem wir als Duty-free-Marke verramscht werden und so weiter und so fort. Und im übrigen, mein lieber Freund: Allein kannst du nichts entscheiden, auch wenn du immer so getan hast, als ob. Da reden ja nun ein paar Leute mehr mit.»
«Wer?»
«Weißt du doch selber, wer wie viele Anteile hat. Puppe Mandel zum Beispiel ...»
Weiter kam sie nicht, er unterbrach sie scharf. «Ach, das weißt du vielleicht noch nicht. Daß mein Schwiegervater Puppe Mandel ihre zehn Prozent längst abgekauft hat?» An ihrem Blick merkte er, daß sie es tatsächlich nicht wußte. Sie hatte Carl lange Zeit nicht gesprochen. Wie immer in den vergangenen Jahren hatte sie häufiger versucht, ihn zu erreichen. Vergebens. Er war ständig auf Reisen gewesen. Umgekehrt hatte sich auch Carl des öfteren darum bemüht, mit ihr in Kontakt zu treten. Aber auch sie war unablässig unterwegs.
Peter triumphierte und goß noch ein wenig Öl in die Flamme: «Und diese zehn Prozent hat er meiner Frau Vivien und mir zur Geburt unseres Sohnes geschenkt.»
Isabelle wurde sauer. «Das hätte er mir allerdings mitteilen müssen.»
«Hat er sicher auch.» Peter zeigte auf ihren Schreibtisch, auf dem Stapel von unerledigten Papieren lagen. «Aber das wird bestimmt in deinem Kuddelmuddel untergegangen sein. Versuch das nicht auf ihn zu schieben ... gerade jetzt ...» Er trank einen Schluck Cola.
Ärgerlich kam sie an ihren Platz zurück, setzte sich wieder und griff zum Telefonhörer. «Das läßt sich ja schnell klären. Du wirst mir sicher sagen können, wo ich deinen Schwiegervater erreichen kann. Weiß er überhaupt, was du vorhast mit mir?»
«Verdammt! Um die Anteile geht es doch jetzt nicht ...»
«Also? Ich möchte ihn anrufen. Ist er auf Sylt? Zu Hause? Wo?»
«Du kannst ihn nicht anrufen», erklärte er eisig.
Sie fuchtelte mit dem Hörer. «Du willst mich ausbooten? Da hast du die Rechnung aber ohne mich gemacht! Für wie doof hältst du mich?» Isabelle wurde laut. «Ich habe mich extra zurückgehalten, mein lieber
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