Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
Hamburg oder einer Großstadt wie New York, weil sie nichts anderes um die Ohren haben, weil sie Aufmerksamkeit wollen, Zuwendung. Tja. Und die Johanna Kröger ... hat ja nie geheiratet, keine Familie ...»
«Wir waren ihre Familie. Wir Leute aus dem Dorf.»
«Eben. Du glaubst gar nicht, wie sie deine Karriere verfolgt hat. Mehr noch als ich vielleicht sogar. Von ihr übrigens hatte ich auch den Artikel über deinen Monet-Kauf ...»
«Dann müssen wir ihr ja dankbar sein. Dann hat sie uns zusammengebracht.»
«Wir werden ihr eine Postkarte schicken. Was hältst du davon, Isabelle?»
«O ja!»
Er nahm ihre Hand, und sie liefen den schmalen, gewundenen Weg am Ufer des künstlichen Sees entlang, bis sie an dem großen Terrassenrestaurant angelangt waren. Sie gingen durch den Vorraum, in dem Kellnerinnen und Kellner hektisch und heiter mit Getränken beladene Tabletts an den wartenden Gästen vorbeischleppten, und suchten sich eine Ansichtskarte aus, die eine Garderobiere, die sonst nichts zu tun hatte, ihnen verkaufte. Dann drängelten sie sich frech an den Wartenden vorbei und ergatterten einen sonnigen Tisch direkt am Wasser. Nachdem Isabelle und Jon Eistee bestellt hatten, schrieben sie die Karte.
«Jetzt hat sie was Neues zum Rumerzählen!» meinte Isabelle kichernd und setzte ihre Unterschrift darunter. Der Kellner brachte die Getränke und goß ihnen zusätzlich in bereitstehende Gläser aus einer von Eiswürfeln klirrenden Kanne Wasser ein. Isabelle hatte noch mehr Fragen auf Lager. Sie war aufgekratzt und lustig, sie machte Scherze und schüttete sich aus vor Lachen über Jons «Schoten», wie sie sagte. Dann wurde sie ernst. «Du hast nie wieder geheiratet?» wollte sie wissen.
Jon schüttelte den Kopf.
«Warum nicht?»
«Sag ich nicht.»
«Ach, komm ...» Er hatte die Ärmel seines Streifenhemdes hochgekrempelt, und sie zwickte ihn in den rechten Unterarm.
«Weil die Richtige nicht da war.»
«So.»
«Ja: so. Und du ... nach deinem Remo-Fiasko?»
«Bei mir war der Richtige auch nicht da.» Sie schloß die Augen, lehnte sich zurück und ließ sich von der Sonne bescheinen. Isabelle war schöner denn je. Am liebsten hätte er sie jetzt geküßt. Doch er tat es nicht.
«Hast du Hunger?» murmelte sie und streckte sich wie eine satte Katze auf der warmen Ofenbank.
«Nö.»
«Ich auch nicht.»
«Was machen wir denn jetzt?»
«Das wirst du mir sicher sagen, Isabelle.»
«Was du willst!»
«Und so saßen die beiden Königskinder an einem herrlichen Sommertag mitten im New Yorker Central Park und standen nie mehr auf ...»
«Und wenn sie nicht gestorben sind ...» Sie sah ihn an. «Weißt du noch, wie du mir früher immer vorgelesen hast? Bei euch auf dem Dachboden.»
«Ich habe nichts vergessen, Isabelle, nichts.»
Am Abend fuhren sie mit einem Yellow Cab nach SoHo und gingen in ein einfaches französisches Restaurant, das Isabelle wegen seines unprätentiösen Stils und seiner guten Küche besonders schätzte. Es erinnerte sie an Paris, an die Brasserien, in denen sie mit Christin Laroche halbe Nächte durchgequatscht, gegessen und gesumpft hatte. In drangvoller Enge saßen sie zwischen Künstlern, Frauen mit Karottenhaaren und schwulen Pärchen an kleinen Tischen mit Papierdecken, ließen sich Wasser und eisgekühlten Wein bringen und wählten ihr Menü aus. Sie bestellten Salat, gegrillten Bluefish, geschmortes Hühnchen mit Auberginen und zum Nachtisch Crème brûlée. Es schmeckte köstlich, und sie amüsierten sich prächtig. Isabelle wurde überhaupt nicht müde, und auch Jon hatte seinen Jetlag gut im Griff. Beide wünschten sich insgeheim, die Nacht würde nie zu Ende gehen.
«Jetzt machen wir noch die ganze New-York-Romantic-Nummer!» bestimmte Isabelle und zückte ihre Kreditkarte. «Und wehe, du sagst jetzt: Ich zahle! Ich weiß, daß du ein Gentleman bist, aber ich habe mehr Geld als du und vor allem einen verdammten Grund, dich einzuladen.» Sie nahm seine Hand, zog sie zu sich und küßte sie mit einem knallenden Schmatzer. «Du glaubst nicht, wie froh ich bin, daß du hier bist.»
«Bestimmen kannst du ja immer noch ganz gut.»
Sie ließ seine Hand wieder los. «May I have the check please?» rief sie laut durch das Lokal.
«I'm right with you, Miss Corthen!» rief der Mann hinter dem Tresen mit Singsang zurück. Es war der Wirt, er hatte einen schweren französischen Akzent und schwärmte für Isabelle.
«Und weil du von Bestimmen redest: Morgen lädst du mich ein.
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