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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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diesen kleinen giftigen, nagenden Schmerz im Herzen. Was wollte er hier? Sie hatten sich doch gestern nachmittag endgültig voneinander verabschiedet. Sogar bei seinen Eltern war sie danach gewesen, um tschüs zu sagen – bei seiner stillen, fast unheimlichen Mutter, die den ganzen Tag nur las und sich um sonst nichts kümmerte, und auch bei seinem Vater, den sie sowieso auf den Tod nicht ausstehen konnte.
    Isabelle lief in den Flur, riß die Haustür auf, kam heraus und rannte auf Jon zu, der griente, als er sie sah. «Was machst du denn hier so früh?» rief Isabelle im Laufen. Sie stoppte vor dem Gartentor. «Morgen.»
    «Ich wußte ja nicht genau, wann ihr ... ich ... äh ...»
    Ungeduldig rief Isabelles Mutter von drinnen nach ihrer Tochter. «Isa! Isa!»
    Isabelle dreht sich um. Die Haustür hatte sie offengelassen. Ihre Mutter war aber nicht zu sehen. «Die ist nur am Rumschreien», sagte Isabelle genervt. «Ich hab überhaupt keine Zeit für dich, Jon.»
    «Ich wollte auch nur dies hier ...», er zerrte einen Briefumschlag aus der Hosentasche, «dir geben. Aber erst aufmachen, wenn du in Hamburg bist.»
    Isabelle nickte.
    Ernst sah er sie an.
    Sie hatte das Gefühl, daß sie etwas sagen müßte; den Wunsch, ihm zu erklären, was sie fühlte. Ihr Herz pochte plötzlich. Schnell, schnell, ehe er für immer verschwindet, ehe alles, alles hier vorbei ist.
    «Ich werde das hier alles vermissen. Das Dorf, meine Freundinnen ... Barbara, Heike ... unsere Schule sogar.» Sie machte eine Pause. «Und unseren Seerosenteich natürlich. Vor allem dich, Jon. Danke!» Sie beugte sich vor und drückte ihm einen Kuß auf die Wange. Es war ihr erster Kuß. Überrascht faßte sich Jon an die Stelle, die Isabelles Lippen berührt hatten. Beide waren verlegen. Er trat einen Schritt zurück.
    «Also», sagte sie schnell, «tschüs, tschüs, tschüs ... ich schreib dir.» Sie ging zum Haus zurück, drehte sich noch einmal um und winkte, ehe sie dann die Tür hinter sich schloß.
    Jon ging zur Schule zurück.
    Pünktlich fuhr Fritz Schmidt mit seinem Kleintransporter, auf dem in Rot der Schriftzug «Schmidts Gasthof Luisendorf» leuchtete, vor dem Corthenschen Haus vor. Nach einer halben Stunde war alles verstaut, Isabelles Mutter hatte einen Kontrollgang gemacht und schließlich das Haus abgeschlossen. Sie strich noch einmal mit der Hand über den Mauervorsprung, der die Tür umrahmte, schaute zum Giebel hoch und stieg dann zu Isabelle und Fritz ins Auto.
    Zwei Stunden später waren sie schon auf den Elbbrücken, nach einer weiteren halben Stunde fuhren sie über die Elbchaussee. Isabelle streckte den Kopf aus dem Fenster der Beifahrertür, um fasziniert hinauszugucken. Schiffe, die im Zeitlupentempo durch den Fluß zu fahren schienen, kleine Parks mit gewundenen Wanderwegen, die zum Elbufer hinunterführten, Gärten, einer schöner und größer als der andere, mit Villen, die Isabelle wie Paläste vorkamen.
    Kurz vor elf hatten sie das Trakenbergsche Anwesen erreicht. Gretel stand schon am Eisentor und zog, während Fritz den Wagen heranrollen ließ, erst den linken und dann den rechten Flügel auf. Sie strahlte, gab Isabelle einen Kuß durchs Fenster und winkte Ida und Fritz, während der Wagen langsam auf die Villa zufuhr.
    Isabelle war sprachlos: ein dreistöckiges Haus, das in der Sonne weiß leuchtete, fast so alt wie das Jahrhundert. Mit einem prächtigen, von Säulen getragenen Portal und einem grünen Kupferdach. Mit riesigen Fenstern und Holzfensterläden. Mit Erkern auf jeder Seite, die aussahen wie Schloßtürme. Der Wagen hielt vor den Stufen, die zur Eingangstür hinaufführten. Fritz legte den Gang ein, zog die Handbremse an, schaltete den Motor aus. Gretel, die das Tor wieder zugemacht hatte, kam angelaufen. Der Kies knirschte unter ihren Füßen. Isabelle sprang aus dem Transporter, dann folgte Fritz und schließlich Ida.
    Alle herzten sich, schüttelten einander die Hände, strahlten, bekundeten ihre Freude. Dreimal mußte Gretel auf Idas Wunsch kurz und kräftig über deren linke Schulter spucken. Das sollte Glück bringen. Fritz hatte währenddessen hinten am Wagen das Tau, mit dem die Plane am Transporter befestigt war, durch die Ösen gezogen und die Plane hochgeworfen. Dann entriegelte er die Heckklappe.
    Gretel kam hinzu. «Na, das ist ja noch 'ne Menge Zeugs ...»
    «Frag mich mal!» sagte Fritz und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Es war mittlerweile sehr warm geworden, kein Lüftchen regte sich.

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