Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
köstlich. Fritz, der wie alle Männer deftige Hausmannskost liebte, weil sie ihn an seine Kindheit erinnerte, strahlte. Er fuchtelte mit der Gabel in der Luft herum, als er sprach. «Das konnte sie schon immer am besten: Kalbfleischklopse mit Kartoffelsalat ...»
Ida ergänzte: «Und Hagebuttensuppe.»
«Und falschen Hasen! Und ihr gespickter Hecht mit SaurerSahne-Sauce ...»
«Die Schwarzbrottorte ...»
«Preetzer Eierkringel, bunter Stuten, der Walnußpuffer!» Fritz sprach mit vollem Mund und glänzenden Augen. «Aach, ich könnt mich da reinsetzen!»
Gretel war das Schwärmen peinlich. «Mensch, der Fritz, der war schon immer so 'n Röterbüdel!» Sie hob ihr Glas. «Ich würde gerne ...»
Fritz, keineswegs beleidigt, daß sie ihn der Übertreibung bezichtigt hatte, unterbrach sie unbeirrt: «Ich nehm noch 'nen Schlag, wenn's erlaubt ist!»
«Klar, min Jung, hau rein. Also, ich möchte, Ida, meine liebste Freundin, Isabelle, mein Kind ... Fritz, nun halt doch mal einen Moment stille! Ich möchte die beiden gerne willkommen heißen, an meinem Tisch. Hier werden wir künftig gemeinsam sitzen und essen und bereden, was zu bereden ist. Alle an einem Tisch. Und das ist gut so. Ich wünsch euch Glück und Gottes Segen und alles, alles Gute in diesem neuen Leben.»
Alle hoben nun ihre Gläser und stießen an, und jeder nickte dem anderen wortlos zu, trank einen Schluck und dachte sich seinen Teil. Isabelle aber war in diesem Moment wieder der Brief von Jon eingefallen, und sie hätte zu gern eine Minute für sich allein gehabt, um ihn endlich zu lesen und zu erfahren, was er ihr geschrieben hatte.
Kapitel 4
Wenn Carl Trakenberg ins Nachdenken kam, dann erfüllte ihn das mit Heiterkeit: Er hatte alles, was ein Mann von sechsundvierzig Jahren haben mußte, und alles hatte in seinem Leben letztlich doch den richtigen Platz gefunden, sogar seine wunderbare Geliebte.
An diesem Morgen war er, entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, früh aufgestanden und hatte zeitig das Haus verlassen. Es war der erste Montag im Monat, und der erste Montag im Monat war ein besonderer Tag. Normalerweise liebte Carl es, im Gegensatz zu den Gepflogenheiten seiner Kaufmannsfreunde, lange zu schlafen, den Vormittag im Morgenmantel zu verbringen, sich von der Burmönken mit einem ausgiebigen Frühstück umsorgen zu lassen, in Ruhe den Wirtschaftsteil der Zeitungen zu studieren und im Badezimmer einer seiner Leidenschaften, der Morgentoilette, zu frönen. Auch darin bildete Carl eine Ausnahme in der männlichen Welt jener Tage.
Aus seiner englischen Zeit, wie er zu sagen pflegte – er hatte als junger Mann zwei Jahre im Handelsunternehmen von Londoner Geschäftsfreunden seines Vaters gearbeitet –, aus seiner englischen Zeit stammte sein Faible für das Ritual der Naßrasur, für den verschwenderischen Gebrauch von Eau de Toilette, das ein Parfümeur aus Paris eigens für ihn komponierte, für Badeöl und Haarwasser, für Talkum und Zahnpulver. Auf die Zusammenstellung seiner Garderobe verwendete er mehr Gedanken als auf den Stand seines Bankkontos.
Carl trug nur Anzüge mit Weste, bevorzugt aus dunkelblauem oder grauem Nadelstreifen, einreihig, nach Maß gemacht, im Sommer aus dünnem Tuch, im Winter aus Flanell. Dazu trug er tagsüber bordeauxrote, nach achtzehn Uhr, so wie er es von seinem Vater gelernt hatte, schwarze, rahmengenähte Schuhe, die er sich von einem ungarischen Meister, der in der Nähe von Hannover lebte, anfertigen ließ. Seine Hemden waren einfarbig, weiß oder hellblau, die Krawatten breit, klassisch und aus Schweizer Seide genäht.
Nur an den Wochenenden, beim Sport oder zu Hause kleidete er sich leger. Doch selbst mit einer alten weiten Kaschmirstrickjacke, in karierten Golfhosen oder in Tenniskleidung wirkte er auffällig elegant. Er war groß, kräftig, hatte Charme und Souveränität, er lachte gern und zeigte seine makellosen Zähne, seine Stimme war dunkel, sein Wesen hell. Er hatte eine, wie man über ihn sagte, «gewinnende Art», jeden, dem er begegnete, nahm er für sich ein, und das war auch ein großer Teil seines geschäftlichen Erfolges: Was immer er anfaßte, gelang ihm, was immer er wollte, erreichte er.
Er war ein Sammler. Er sammelte Menschen. Die Zahl seiner Freunde war unüberschaubar, überall auf der Welt, in jeder großen Stadt in Europa saßen welche, die nur darauf warteten, ihm einen Gefallen tun zu können, mit einem Freundschaftsdienst unter Beweis stellen zu können, wie sehr sie
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