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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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einmal, daß die Tür des Mercedes wirklich verschlossen war, indem er kräftig an dem Chromgriff rüttelte. Er hätte den Wagen offenlassen können. Dies war eine gute und sichere Gegend. Hinzu kam, daß sich niemand unbeobachtet der Villa hätte nähern können, denn Alma Winter, die Direktrice, stand, einem Wachhund gleich, bei jedem ungewöhnlichen Geräusch, bei jedem Schritt auf dem Platz sofort am Fenster und sah hinaus. Heute war es nicht anders. Carl winkte ihr kurz zu, als er auf den Salon zuging. Sie nickte kühl und ließ den beiseite geschobenen Store zurückgleiten.
    Der Grund, warum Carl sein Auto so sorgfältig sicherte, lag in seinem Wesen begründet. Er war ein freigebiger, ja, gegenüber denen, die er mochte und liebte, sogar ein verschwenderischer Mensch. Er liebte es, Geschenke zu machen, Dinge, die ihm gehörten und an denen er hing, herzugeben, andere zu erfreuen, mit üppigen Gesten, die niemals im Verhältnis zum Anlaß standen, ja, die zumeist nicht einmal eines Anlasses bedurften. Doch wie bei vielen großzügigen Menschen verbarg sich auch bei Carl hinter dem scheinbaren Wunsch, andere zu erfreuen, vor allem die Sehnsucht zu gefallen, das Bedürfnis, im Gegenzug zum Geschenk Liebe zu erhalten. Carl war eitel. Er gierte nach Anerkennung und Lob, nie hatte er genug davon. Er war klug genug, das selbst zu durchschauen, und vor allem war er klug genug, das Instrument der Dankbarkeit zu nutzen wie ein Arzt das Skalpell.
    Wenn Carl mit Freunden essen ging, war fast immer er es, der einlud. Drinks in den Clubs gingen meist auf seine Rechnung. Wenn er in einem Geschäft etwas Schönes – und Teures – sah, kaufte er es, ließ es aufs feinste verpacken und verwahrte es in seinem Kontor in einem, wie er sagte, «Geschenkeschrank». Aus dem Geschenkeschrank stammte Schmuck für seine Frau, kamen Bücher und Spielzeug für seine Tochter Vivien, eine besänftigende Überraschung für seine Sekretärin, eine im richtigen Moment plazierte noble Geste für die Burmönken.
    Auf dem Klavier der kleinen Freuden und großen Gaben spielte er perfekt. Bescheiden abwinkend, die Augen – manchmal eine Spur zu auffällig – niederschlagend, die Sätze «Ich freue mich, wenn du dich freust», «Nimm es einfach und sag nichts», «Nein ... wirklich ... umgekehrt, ich habe zu danken» perlten locker aus seinem  und, oft geübt, oft gesagt. Eine Hand wäscht die andere: Fast unbemerkt folgte dem Geschenk eine Bitte, wie ein Schachzug dem nächsten; wie selbstverständlich äußerte er Wünsche, ordnete an, bestimmte, machte Druck, bis letztlich immer das getan wurde, was er wollte.
    Die Angst, man könnte dieses Muster entlarven, die Furcht, seine Großzügigkeit würde falsch verstanden, die Sorge, man nehme ihm in diesem Spiel die Zügel aus der Hand, führten dazu, daß sich sein Hang zum Argwohn verstärkte. Parallel zur Noblesse entwickelte sich Mißtrauen.
    Mißtrauen vor allem, um sein Geld gebracht und bestohlen zu werden. Wie viele Männer, die Schwächen nicht zeigen wollen, versteckte Carl das hinter einem Spleen: An allem, was in seinem Kontor oder in seiner Villa nicht «niet- und nagelfest» war, wie er sich auszudrücken pflegte, hatte er kleine Schilder oder selbstklebende, bedruckte Etiketten angebracht, auf denen Gestohlen bei Carl Trakenberg stand.
    Seine Frau Charlotte hatte sich anfangs darüber geärgert und aufgeregt, doch nach einundzwanzig Jahren Ehe war sie zu der Einsicht gelangt, daß Männer groß gewordene, behaarte Knaben jenseits des Stimmbruchs und der Vernunft waren, die man nicht erziehen konnte, sondern laufenlassen mußte. Sie hatte seine Macken einfach akzeptiert. Seine Eigenarten und Angewohnheiten duldete sie. Auch, daß er eine Geliebte hatte. Denn die beiden verband eine lange Geschichte, eine Geschichte voller Schatten, zu denen durchaus auch Charlotte ihren Teil beigetragen hatte.
    Carl brach von einem der Rosensträucher, die auf den Beeten vor dem Haus blühten, eine Knospe ab und betrat den Salon. Die Halle war rosafarben gestrichen. In der Mitte standen auf einem Tisch üppige Blumen in einer Kristallvase. Das auffälligste an dem Raum waren jedoch die Nischen, in denen keine Skulpturen, sondern lebensgroße, kopflose hölzerne Puppen prangten, die Salon-Mandel-Entwürfe präsentierten. Glastüren auf der linken und der rechten Seite trennten das Entree von den Showrooms. Eine Treppe gegenüber der Eingangstür, mit Aubusson-Läufern belegt, führte nach oben ins

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