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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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schnell, daß die Zusammenarbeit nicht so gut funktionierte wie das Zusammenleben. Fortan begleitete sie ihn nicht mehr bei seinen fotografischen Streifzügen durch die Stadt, bei seinen Jobs für Modemagazine, die ohnehin spärlicher ausfielen als erhofft. Aber sie blieb, was er sich von ihr versprochen hatte, als er sie in Hamburg in seinen Bann gezogen und bewegt hatte, ihm hierher zu folgen: die Geliebte, mit der er Spaß hatte, die schöne Begleiterin, mit der er angeben konnte, die Frau, vor der er auftrumpfen konnte. Sie blieb die Zuhörerin, die Umsorgerin, das Zuhause, kurz, er zog mehr Nutzen aus der Liaison als Isabelle.
    Und doch war auch Isabelle zunächst zufrieden, ohne Druck und ohne Aufgaben zu leben, ohne große Verpflichtungen oder Verantwortung. Es war für sie etwas so Ungewohntes, daß sie das Gefühl hatte, ihr Leben habe erst jetzt begonnen. Sie schlief, solange sie wollte, schlenderte tagelang ziellos durch die Stadt, besuchte Museen, ging ins Kino, und noch länger als die Tage waren ihre Nächte – voller Liebe, Musik, Alkohol. Sie gewöhnte sich viele neue Dinge an. Schnell erlernte sie die Sprache, es fiel ihr leicht, denn sie hatte ein gutes Gehör. Isabelle fand es schick, sich wie Remo und seine Freunde aus dem Milieu der Mode und der Fotografie nur noch in Schwarz zu kleiden. Sie fing das Rauchen an, nicht wegen des Genusses, sondern weil sie glaubte, es gebe ihr Stil und Klasse. Unbewußt hatte sie dabei Puppe Mandel vor Augen.
    Für Malt-Whisky entwickelte sie in jenen Tagen ebenso ein Faible wie für Herrenparfüms. Sie wollte nichts Süßliches mehr an sich haben, sie wollte verrucht sein wie eine Kellerbar am Montmartre, sie wollte klug und ernst und kompliziert sein wie die Gedanken von Jean-Paul Sartre. Am liebsten hätte sie eine Brille getragen, aber dafür waren ihre Augen nicht schlecht genug.
    O ja, sie sah gut! Ihrer Feinsinnigkeit und ihrem Instinkt entging nicht, daß Remo zwar klasse im Bett, aber eine Null im Leben war. Ein Angeber eben. In Wahrheit war nichts so großartig, wie er es machte, er selbst am allerwenigsten. Seine Kontakte zu den Modemagazinen waren dünn gesät und versiegten ebenso schnell, wie er sie entdeckte. Hinzu kam, daß Remo keinen eigenen Fotostil entwickelt hatte. Er kopierte. Leider schlecht. Seinen Bildern fehlte es an Persönlichkeit und Kraft.
    «Man muß es eben haben», hatte Christin eines Tages gesagt und bei dem Wort «es» mit den Fingern geschnippt. «Dann kommt der Erfolg von allein.»
    Remo hatte es nicht. Er hängte sich an alles dran, an Trends, an wichtige Leute, leider auch an andere Mädchen. Immer wieder gab es Diskussionen, Streit, Tränen. Danach gelobte Remo Besserung. Doch alles blieb letztlich beim alten.
    Lebensveränderungen und plötzliche Freiheit fördern die Kreativität. Bei Isabelle war es nicht anders. Sie hatte auf einmal tausend Ideen, was sie tun könnte, und am Ende des Sprudelns förderte sie eine Entscheidung zutage. Sie war wilder denn je entschlossen, Modeschöpferin zu werden. Was Carl und Puppe schon lange vorausgesagt hatten, war nun für Isabelle zum Ziel geworden. Ihr Traum aus Kindertagen sollte endlich wahr werden. Der ständige Ärger mit Remo bestärkte sie nur noch darin.
    An Regentagen saß sie auf der Fensterbank mit Notre-Dame Blick und entwarf Mode. In Geschäften und Kaufhäusern ließ Isabelle sich Kleider zeigen, vorgeblich, um etwas kaufen zu wollen, in Wahrheit aber, um zu gucken, in welche Richtung sich die Mode entwickelte, um zu sehen, wie die Teile verarbeitet waren, um zu fühlen, was für Stoffe eingesetzt wurden. Sie blätterte Journale durch, riß sich Fotos heraus und pinnte sie in der winzigen Küche an die Tapete. Ihre eigenen Sachen nähte sie schon seit langem selber. Mal war es ein kurzer schwarzer Faltenrock aus Wolle, den sie mit einer weißen Bluse im Stil eines Musketiers und mit einer Samtweste kombinierte; mal eine Hose aus anthrazitfarbener Seide von Printemps, die so weit war, daß sie einem Kaminrock ähnelte. Mal nähte sie sich einen Mantel mit breiten Schultern, der aussah wie für einen Mann gemacht; mal bestickte sie einfach nur eine Jeans mit bunten Steinen oder Glitzerkram.
    Aber trotz ihres festen Willens, ihrer klaren Absichten gelang ihr nichts. Isabelle versuchte, sich bei einigen der großen Modehäuser zu bewerben. Remo hatte ihr hoch und heilig versprochen, daß es aufgrund seiner Connections überhaupt kein Problem sei, einen Termin zu kriegen.

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