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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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hinschmeißen.»
    Christin tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. «Tock, tock, tock! Du machst das mindestens ein Jahr, haben wir gesagt. Dann gucken wir weiter.»
    «Gucken wir weiter. Du bist dann längst in New York. Hast mich vergessen.»
    Christin schüttelte den Kopf und nahm ihre Hand.
    Isabelle seufzte: «Fällt es dir denn gar nicht schwer, einfach so wegzugehen von hier, nach all den Jahren? Ich meine: Es ist doch dein Leben hier gewesen, das alles?»
    «Doch. Doch es fällt mir schwer. Einerseits. Aber andererseits: Es ist eine wunderbare Chance, verstehst du? Die Chance meines Lebens. Mir war immer alles recht, was auf mich zukam, ich habe das Beste draus gemacht, egal, wie beschissen es auch gewesen sein mochte. Aber dies nun ist objektiv eine ... ja: Sensation!»
    «Und deine Freunde. Wirst du sie nicht vermissen?»
    «Welche Freunde?»
    Isabelle war manchmal schockiert über die Eiseskälte, zu der ihre Freundin fähig war. «Ich zum Beispiel ...»
    Christin blieb stehen. Isabelle auch. «Im Herzen gibt es keine Kilometer!» flüsterte Christin, umfaßte das Gesicht ihrer Freundin und küßte sie auf den Mund. Isabelle war diese Art von Nähe manchmal unangenehm, aber sie ließ es zu. «Du mußt mir versprechen, dafür zu sorgen, daß wir uns nie aus den Augen verlieren, Belle. Ganz gleich, was noch passiert. Ich habe dich immer lieb, egal, was du vielleicht eines Tages von mir denkst.»
    «Was soll das denn jetzt?»
    «Bin sentimental.»
    Sie gingen jetzt über die Brücke, die auf die Ile St-Louis führte. Zwei junge Männer auf Vespas knatterten vorbei. Die Laternen warfen mit ihrem Licht gespenstische Schatten auf den Boden.
    «Warum hast du eigentlich keinen Freund?» wollte Isabelle wissen. «Ich habe dich das noch nie gefragt, irgendwie hat es mich auch nie richtig beschäftigt, aber ...»
    «Ich will mich nicht auch noch damit belasten!» erklärte Christin und lachte jeden weiteren Gedanken zu diesem Thema weg.
    Als sie endlich vor dem Haus standen, in dem Isabelle wohnte, stellte die fest, daß sie ihren Schlüssel nicht dabeihatte. Sie drückte die Klinke der Haustür herunter. Die Tür war abgeschlossen. Bei einem Nachbarn zu klingeln war, abgesehen von der späten Stunde, unmöglich. Dem Alter des Hauses entsprechend, hatte es niemals eine Klingelanlage gegeben, und die Besitzerin vertrat entschieden die Meinung, man brauche auch keine.
    Christin schmunzelte. «Macht nix. Wir finden eine Lösung.»
    «Remo ist in der Provence ... », jammerte Isabelle.
    «Die Olle ...», Christin meinte Madame, der das Haus gehörte und die im Erdgeschoß zur Linken wohnte, «ist bestimmt noch wach.»
    «Es ist halb zwei!»
    «Der Besen wird jetzt erst richtig kregel, glaub mir das.»
    «Wie sollen wir sie wecken?»
    «Wir klopfen an die Scheibe.»
    «Wie willst du denn an die Scheibe klopfen?»
    Christin stellte sich mit dem Rücken zur Hauswand, faltete ihre Hände wie zum Gebet, drehte sie um, so daß eine Art Körbchen entstand, und hielt sie vor Isabelles Knie. «Bitte einsteigen!»
    «Hä?»
    «So haben wir es als Kinder gemacht, ich meine, Lübecker Kinder waren so, Luisendorfer  natürlich nicht. Das klingt ja auch schon so vornehm, nach Schloß oder wenigstens Gestüt ...»
    Isabelle setzte ihren linken Fuß in Christins Hände. « Jon und ich haben es genauso gemacht, wenn du schon davon anfängst. «Er konnte mich tragen. Aber ob du das kannst ... ?»
    Ehe sie sich's versah, hatte Christin sie hochgewuchtet. Beide mußten kichern und wären am liebsten in lautes Gebrüll ausgebrochen, aber dazu war die Angelegenheit zu wackelig. Isabelle klopfte erst zaghaft, dann kraftvoll gegen das Fenster, und tatsächlich erschien nach einer Weile Madame. Sie öffnete das Fenster und fragte, was los sei. Dann kam sie angetippelt, um die Haustür aufzumachen. In ihrem Nachthemd, mit roséfarbenen, puscheligen Pantoletten und einem verfilzten grünen Wollschal um den Hals bot sie einen einigermaßen skurrilen Anblick. «Wie Oscar Wilde, der sich nicht entscheiden kann, ob er das Gespenst von Canterbury spielen soll oder eine Transe», bemerkte Christin. Madame zeigte sich freundlich und tätschelte Isabelle sogar die Wange: «La jeunesse, la jeunesse», murmelte sie und verschwand wieder in ihrer düsteren parfümierten Wohnung.
    Mit einer herzlichen Umarmung verabschiedeten sich die Freundinnen voneinander. Isabelle blieb noch in der Haustür stehen und sah Christin nach, die, über das

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