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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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einfach schläfrig vom Wein im Boot.
    Anuket kam nie mit, obwohl Huy sie darum bat. Trotz ihres Namens mochte sie Wasser nicht sonderlich und begnügte sich zur Abkühlung mit kurzen Bädern in den Teichen auf dem väterlichen Anwesen. Huy zwang sich, ihr nicht wie ein hungriger Hund zu folgen. Er war gern mit Nascha und Thutmosis zusammen, auch wenn Naschas Späße seine Geduld manchmal auf die Probe stellten, außerdem wollte er nicht, dass Nacht sah, wie liebeskrank er wirklich war. Er wusste, dass seine Zuneigung zu Anuket beiden Elternteilen nicht entgangen war, und er wusste auch, sie verließen sich darauf, dass er den Anstand wahren würde. Also wollte er sie nicht enttäuschen. Zudem hielt Anuket, obwohl sie ihre Scheu größtenteils abgelegt hatte, immer einen gewissen Abstand, sodass er unsicher war, welche Gefühle sie für ihn hegte. Manchmal fragte er sich, ob er jenes Gespräch im Kräuterzimmer nur geträumt hatte.
    Wenn Huy weder in Nachts Haus zu Besuch noch mit dem Buch Thot beschäftigt war, wanderte er durch den Tempelbezirk und freute sich an den leeren Höfen, der Stille im Unterrichtssaal, der Weite des Sportplatzes. Jeden Tag ging er zu Fauler Weißer Stern und brachte ihm in Honig getauchte Gurkenstückchen. Wenn er sich näherte, wieherte das Pferd, dann stieß es denn Kopf gegen seine Brust und rieb sich sanft an seinem Hals. Huy hielt ihm die süße Gurke immer auf der Handfläche hin, doch meist lutschte das Tier nur den Sirup ab und spuckte Huy das Gemüse vor die Füße. Der warme Geruch und das glatte Fell hatten für Huy etwas Beruhigendes, und er redete, den Kopf gegen die breite Stirn gelehnt, bis das Tier sich mit einem letzten Stupser wieder in seinen kühlen Stall zurückzog.
    Pflichtbewusst schrieb Huy seinen Eltern und berichtete von den kleinen Ereignissen, die sein Leben in der unterrichtsfreien Zeit ausmachten, nur das Buch und seine Liebe zu Anuket erwähnte er nicht. Diese Themen behielt er sich für die Briefe an Methen vor, der ihm regelmäßig antwortete und berichtete, wie es in der Stadt aussah, ehe er sich Huys heiliger Aufgabe und seiner rein säkularen Verstrickung in die Anbetung von Anuket zuwandte. »Deine diesbezüglichen Gefühle sind vollkommen normal für einen jungen Mann deines Alters«, schrieb Methen und sagte damit nahezu dasselbe wie Ramose. »Erfreu dich daran, aber nimm sie nicht zu ernst. Das ist die erste Liebe, Huy. Sie wird ebenso schnell vorbei sein, wie sie kam.« Huy bezweifelte das, aber die Worte des Priesters trösteten ihn.
    Er besuchte auch die Rechet. Wie Anuket beschäftigte sie seine Gedanken nahezu unablässig, aber aus ganz anderen Gründen. Thutmosis lieh ihm immer willig sein Ohr, wenn er in dem Buch gelesen hatte, aber die Begriffe, die Huy zunehmend wichtiger erschienen, interessierten ihn nicht sonderlich. Huy brauchte einen erfahrenen Geist. Außerdem musste er sich der Rechet gegenüber nicht verstellen, um nicht zu klug und scharfsinnig zu erscheinen, wie das bei seinen Schulfreunden nötig war. Also fragte er den Oberpriester nach Henenus Wohnung und machte sich an einem strahlenden Morgen auf den Weg.
    Angesichts ihres Wohlstands, von dem sie selbst erzählt hatte, war er erstaunt, dass ihn Ramoses Beschreibung weg vom Fluss führte. Huy hatte sich ein Anwesen ähnlich dem von Nacht vorgestellt, etwas Großartiges unter Bäumen, hinter einer hohen Mauer am Fluss und mit einem Pförtner. Doch bereits nach kurzer Zeit musste er von den wie üblich belebten Kais ins Herz von Iunu abbiegen. Er lief lange Zeit, zuerst durch breite Straßen, die von majestätischen Gebäuden gesäumt wurden, dann wurden die Straßen allmählich schmaler und staubiger, öffneten sich nur noch gelegentlich zu kleinen Heiligtümern und lauten, schmutzigen Märkten, die nach Knoblauch und ungewaschenen Leibern stanken.
    Als er schon verzweifelt aufgeben wollte, kam er zu einem freistehenden Lehmziegelhaus zwischen grauen Hütten, das von einer taillenhohen Lehmmauer umgeben war und an dem Kaurischnecken hingen. Müde und staubig trat er durch die Pforte auf die offene Veranda. Sofort erschien ein Mann und beäugte ihn wachsam. »Sei gegrüßt«, sagte er höflich. »Dies ist das Haus der Rechet. Ich bin ihr Haushofmeister. Darf ich fragen, was du willst?« Huy nannte seinen Namen, und der Mann bot ihm den Hocker an, auf dem er selbst gerade gesessen hatte. Huy hätte gut noch eine Weile im kühlen Schatten sitzen können, aber der Mann kehrte rasch

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