Der Seher des Pharao
fielen, und ihr Lilienparfüm roch, gelang ihm das nicht. Rette mich, Mutter!, hätte er am liebsten geschrien. Sag, dass es nur ein Scherz war!
Itu ging zu Huys leerer Kleidertruhe, hob den Deckel an und nahm den Affen heraus. »Ich denke, ich kümmere mich ab sofort um ihn, nicht wahr, Huy?«, sagte sie feierlich. »Ich lege ihn in meine eigene Truhe, dort geschieht ihm nichts. Bis morgen, mein Kleiner.« Sie ging leise aus dem Zimmer, und Huy war allein.
Huy war sehr erleichtert zu wissen, dass der Affe nicht mehr in der Truhe lag und mit offenen Augen in der Dunkelheit nach ihm Ausschau hielt. Lange Zeit lag er da und starrte die vertrauten Risse in der Decke an, versuchte, wach zu bleiben, jeden verbleibenden Augenblick auszukosten, doch dann wurden seine Lider schwer, und er schlief ein.
2
Huy hatte geglaubt, die Reise nach Iunu würde viele Wochen dauern. Doch sein Onkel Ker hatte ihm erklärt, dass Iunu bloß vierzig Meilen stromauf lag und notfalls binnen eines Tages zu erreichen war. Aber da sie es nicht eilig hatten, wollte er seine Ruderer nicht unnötig gegen die Strömung aus dem Süden verausgaben. »Wir machen uns eine gemütliche Fahrt, Huy«, hatte Ker gesagt. »Schon bald werden wir den eigentlichen Fluss erreichen. Am Abend suchen wir uns eine kleine Bucht, machen ein Feuer, braten uns Fisch, und du kannst in meiner Kabine schlafen. Das wird bestimmt lustig, meinst du nicht?«
Huy, der sich an die Reling klammerte, konnte nur nicken. Die Geräusche waren beängstigend. Ebenso das Schlingern des Decks, auf dem er stand. Vor seinem inneren Auge sah er immer noch seine Eltern. Ihr Abschied war rasch und leise gewesen. Onkel Ker hatte eine Sänfte mitgebracht, sodass Huy nicht zum Fluss laufen musste. Huy kletterte hinein und reckte den Hals, um einen letzten Blick auf die vertraute Umgebung zu werfen. Als die Träger losgingen, sah er Ischat an der Gartenmauer. Sie hatte die Arme verschränkt und rieb ihre nackten Füße aneinander. Huy winkte nicht, Ischat auch nicht. Winken wäre etwas Fröhliches gewesen. Zudem hätte es einen Abschied bedeutet, das, was da kommen sollte, zu akzeptieren. Ischat blieb verlegen stehen, bis Huy nicht mehr zu sehen war.
Der Kloß in Huys Kehle war so groß, dass er kaum atmen konnte. Ker rief den Ruderern einen Befehl zu, und das Schiff setzte sich in Bewegung. Er redete leise auf Huy ein, zeigte ihm die anderen Boote, stellte Mutmaßungen über ihre Fracht an, erklärte ihre Herkunft und die Flaggen, die die meisten gehisst hatten. »Siehst du das Schiff, dort?« Er wies auf ein schnittiges, vergoldetes Ruderboot, bei dem blau-weiße Wimpel an Bug und Heck angebracht waren. »Blau und Weiß sind die königlichen Farben. An Bord befindet sich jemand, der im Auftrag unseres Königs unterwegs ist.« Er lächelte Huy an. »Wenn ich Parfüm nach Weset bringe, darf ich auch Blau und Weiß hissen.« Ker plauderte weiter, um Huy abzulenken, doch der ließ sich nicht trösten. Stattdessen ließ ihn seine Verzweiflung in Tränen ausbrechen, als er die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne auf seiner Haut spürte.
Doch während die Ruderer sich Stunde um Stunde stromaufwärts kämpften, wuchs die Zuversicht in ihm. Noch behütete ihn ein Mann, der ihn liebte, noch war er abgeschirmt auf einem Fluss, dessen Ufer dieselbe vertraute üppige Vegetation aufwiesen wie die Felder seines Vaters. Die Nachmittagshitze verschlief Huy auf den Kissen in der Kabine. Die Schiffsbewegung, die ihn zuerst geängstigt hatte, lullte ihn nun ein. Onkel Ker lag derweil unter einem Baldachin und schlürfte schläfrig sein Bier.
Die Strömung war immer noch stark, obwohl der Fluss bereits wieder seinen normalen Pegel erreicht hatte. Daher wies Ker, bevor die Sonne den westlichen Horizont berührte, seinen Steuermann an, eine winzige Bucht anzulaufen, die von gelb blühenden Akazien gesäumt war. Er ließ Huy Holz für das Feuer sammeln, während der Steuermann die Angelschnur auswarf und die Ruderer sich im Wasser den Schweiß abwuschen. Für kurze Zeit vergaß Huy, was ihn in Iunu erwartete. Stolz stapelte er Zweige und einige dürre Äste neben der Sandkuhle, die Ker gegraben hatte, und als sein Onkel das Feuer anzündete, watete er knöcheltief ins seichte Wasser und beobachtete die Ruderer, die lachend und spritzend ihre Müdigkeit abschüttelten.
Sie saßen im Sand und aßen in Olivenöl gebratenen Flussbarsch. Satt und zufrieden lehnte sich Huy in der hereinbrechenden Dunkelheit an
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