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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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seinen Onkel und beobachtete das Flackern des Feuers. Schließlich war er so müde, dass man ihn zurück aufs Schiff trug, in die Kabine legte und ihm eine gute Nacht wünschte.
    Am nächsten Morgen gab es Brot, Ziegenkäse und Trauben, die bereits begannen, zu Rosinen zu schrumpfen. Als Huy seine Mahlzeit beendet hatte, befahl ihm Ker, Soda zu nehmen, ins Wasser zu steigen und sich gründlich abzuschrubben. Huy war entsetzt. Zu Hause hatte er sich nie selbst gewaschen, und als er jetzt nackt und zitternd an Deck stand, in der einen Hand den Beutel mit Soda, in der anderen ein Stück grobes Leinen, wurde ihm seine Lage schlagartig wieder bewusst. »Das kann ich nicht«, jammerte er. »Ich will Hapsefa! Ich friere und will nach Hause!«
    Ker hob ihn auf und umarmte ihn. »Ich weiß, mein Kleiner, ich weiß«, sagte er tröstend. »Eines Tages wirst du mir dafür dankbar sein, dass ich dir diese Tortur auferlege, denn du musst sauber sein und frisches Leinen tragen, sodass du dich nicht schämen musst, wenn ich dich dem Vorsteher der Tempelschule bringe. Bis jetzt warst du sehr tapfer«, fügte er hinzu und trat auf den Landungssteg. Er war am Wassersaum angekommen und setzte den Jungen ab. »Die anderen Schüler können sich alle selbst waschen«, ermutigte er ihn. »Zuerst musste du dich vollständig nass machen, auch deine Haare. Dann nimmst du ein bisschen Soda aus dem Beutel und reibst deinen Körper, dein Gesicht und auch deinen Kopf damit ein. Komm, ich zeige es dir.« Er zog seinen Schurz aus, löste das Lendentuch und rannte ins Wasser. »Siehst du«, rief er, »vollständig nass!«
    Er streckte die Arme aus, und Huy watete widerwillig ins Wasser. Es schien wärmer zu sein als die Luft. Huy konnte nicht schwimmen und wollte nicht vollständig untertauchen, doch angesichts des fordernden Blicks seines Onkels holte er tief Luft, stürzte sich unter die Oberfläche und tauchte, begleitet von Kers Applaus, wieder auf. »Jetzt gehen wir zurück ans Ufer und holen das Soda«, befahl er. Huy merkte, dass er das Kratzen des Sodas auf seiner Haut mochte, außerdem wärmte ihn das Rubbeln. Mit ungekanntem Selbstvertrauen stieg er zurück in den Fluss, um sich abzuwaschen, trocknete sich rundum ab und schaffte es auch, seinen Schurz ohne Hilfe um die Taille zu schlingen. Vom Schiff kamen Beifallsrufe, und Huy stellte verblüfft fest, dass die Matrosen seine Bemühungen beobachtet hatten. Er grinste ebenso verlegen wie erfreut. Ker holte eine trockene Binse hervor, schälte sie und zerquetschte das Ende, sodass es sich aufspreizte. Huy wusste, wozu sie diente. Er nahm die Binse und bürstete seine Zähne damit.
    Ker gab ihm eine kleine, grüne Fayence-Flasche. »Zivilisierte Menschen spülen ihren Mund jeden Morgen mit Parfüm. Das hier ist Zitronengras, gelöst in Ben-Öl. Nachdem du deine Zähne geputzt hast, tu einen Tropfen davon auf deine Zunge. Ich bringe dir mehr davon, wenn ich dich besuche.« Das war eine tröstliche Aussicht. Ich habe gelernt, mich selbst zu waschen, anzuziehen und meine Zähne zu putzen – und all das an einem einzigen Morgen, dachte Huy stolz. Vielleicht wird die Schule doch nicht so schlimm.
    Der erste Anblick von Iunu konnte jeden einschüchtern. Lange bevor Kers Barke langsamer wurde und in Richtung Ostufer steuerte, waren drei Obelisken zu sehen, die sich über der doppelten Ziegelmauer erhoben, die die Innenstadt umgab. Hinter einem Vorhang aus Palmwedeln waren die Dächer und Pylone der Tempel auszumachen. Zwischen der Mauer und den Stufen zum Wasser, die die gesamte Länge der Stadt einnahmen, erstreckten sich Gebäude in jeder erdenklichen Form. Der Fluss selbst war unter der Vielzahl der Boote jedweder Größe kaum zu sehen. Auf den Anlegestufen herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Von den Stufen verliefen zahllose Pfade zu einer breiten Straße, die durch das enge Häusergewirr zur Stadtmauer führte. Sie alle waren voller Menschen.
    Huy stand auf einer Kiste, sodass er über die Bordwand schauen konnte. Die Ruderer holten die Riemen ein, und der Steuermann manövrierte die Barke gekonnt in eine schmale Lücke. »Es wird Zeit, dass du deine Sandalen anziehst«, sagte Ker. Einer der Ruderer ließ sich ins Wasser gleiten und machte das Schiff an einem Pfosten fest. Vier andere legten den Landungssteg aus und kehrten dann zurück, um die Sänfte bereitzustellen, die an der Kabinenwand lehnte.
    Ker nahm Huy an der Hand. »Sobald wir innerhalb der Mauer sind, wird es ruhiger und

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