Der Seher des Pharao
erfreuen, die jene brachten, die die Götter durch Huy segneten: dicke Decken, Kuhhäute für den Fußboden, Schüsseln und Töpfe aus Ton, ein Kupferspiegel, getrocknete Kräuter, Krüge mit Bier und gelegentlich Wein, viel Soda und zu Ischats großer Begeisterung ein Ballen Leinen des zehnten Grades sowie eine Handvoll Goldstaub. Letztere stammten vom stellvertretenden Gaufürsten von Maten. Er war mit seiner kranken Frau per Schiff von Mennofer, der Hauptstadt des Maten-Gaus, nach Norden gekommen. Wie so viele Adelige in der Verwaltung, war er ein pedantischer und wählerischer Mensch. Ausführlich hatte er die Symptome seiner Frau beschrieben – eine Schwäche, die es ihr verbot, das Bett länger als eine Stunde zu verlassen, Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, beständiger Gewichtsverlust. Huy hatte ungeduldig zugehört, und als er endlich die kalten Hände der Frau ergreifen durfte, sah er, dass es in ihren Gedärmen von Würmern wimmelte. Anubis verschrieb winzige Dosen von Brechnuss, einem seltenen Baum mit sehr teuren, samtig-grauen, höchst giftigen Samen, dessen Blüten nach Kumin und Koriander rochen. Der stellvertretende Gaufürst war entsetzt, als Huy ihm sagte, er solle die Samen, die aus weit entfernten Ländern kamen, beschaffen, jeweils einen zerstoßen, mit Honig vermengen und seiner Frau geben. »Aber Meister«, wehrte er sich vehement, »jeder Arzt weiß, dass die Samen der Brechnuss tödliche Krämpfe und Atemstillstand bewirken! Das ist zu gefährlich!«
»Ich habe gesagt, jeweils ein einziger Same«, hatte Huy ihm geantwortet und sich gefragt, ob die Kosten der Medizin der Grund für die heftige Ablehnung des Mannes waren. »Ein Same alle drei Tage über fünfzehn Tage hinweg. Zerstoße sie persönlich in Anwesenheit deines Haushofmeisters, damit kein Fehler passiert. Mehr als ein Same ist tödlich für deine Frau, weniger nützt nichts.«
Der Mann verabschiedete sich besänftigt, aber nicht überzeugt. Einen Monat später waren der Goldstaub und das Leinen eingetroffen. Ein Herold überbrachte die Sachen zusammen mit einem kurzen, überschwänglichen Dankesbrief. Huy zuckte mit den Achseln. Er wusste nahezu nichts über die Heilmittel, die ihm der Gott nannte. Von der Brechnuss hatte er noch nie gehört, ehe Anubis ihm den Namen barsch ins Ohr gesagt hatte.
Manchmal schienen die Anweisungen des Gottes unsinnig zu sein. »Tu Wasser aus dem Fluss in einen Topf, und koche es so lange, bis du bis fünfhundert gezählt hast. Lass es kalt werden. Vermisch es mit dem grauen Schimmel zehn Tage alten Brotes, und lass deinen Sohn jeden Tag die Menge trinken, die in eine Phiole passt, bis er gesund ist.« Zehn, zwei oder sieben Tage altes, verschimmeltes Brot konnte Huy verstehen. Jeder begriff das. Wenn man solches Brot auf eine eiternde Wunde legte oder jemand, der eine Entzündung hatte, davon aß, bewirkte das oft eine Heilung. Aber warum Wasser aus dem Fluss kochen? Huy wusste es nicht – er gab einfach nur das, was der Gott befohlen hatte, an besorgte Eltern, Ehegatten und wer sonst auf Rettung hoffte weiter. Huy war auf die Heilungen nicht stolz, denn sie waren nicht sein Werk. Doch es machte ihm Freude zu sehen, dass die Kranken wieder gesund wurden. Seit er sich dem Willen Atums überlassen hatte, betrachtete er sich bloß als Gefäß, als Lampe, die darauf wartete, mit Öl gefüllt und angezündet zu werden. Er vergaß nie die Erkenntnisse, die er gewonnen hatte. Atum hatte ihn nicht aus Gnade ins Leben zurückgeschickt. Atum hatte mit seiner Wiedererweckung einen Zweck verfolgt, und Huy war endlich in der Lage, seine Verantwortung für diesen Zweck vorbehaltlos zu übernehmen.
Inzwischen kamen auch Bittsteller aus anderen Landesteilen. Huy führte das auf die Genesung der Frau des stellvertretenden Gaufürsten zurück. Er hatte den Mann gebeten, das Ergebnis seiner Verschreibung für sich zu behalten, und ging auch davon aus, dass sich ein Regierungsbeamter daran hielt, aber bei seiner Frau war das etwas anderes. Von allen Frauen, die Huy kannte, war Ischat die einzige, die sich an Absprachen hielt. Frauen liebten den Klatsch, tauschten sich über ihre Erfahrungen aus, überhöhten sie oder zerrissen ihre Feinde mit Worten. Selbst Nascha war nicht immun gegen den Drang, eine wunderbar schockierende Geschichte weiterzuerzählen. Nur Ischat zeigte keine Duldsamkeit hinsichtlich der Gespräche anderer Frauen. Huy war sich sicher, dass sie jedes Geheimnis wahren würde, das er ihr
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