Der Seher des Pharao
also noch nicht geklärt, doch in der Zwischenzeit kannst du schon am Unterricht teilnehmen.« Er sah Huy genauer an. »Ich muss sagen, du siehst blass aus. Für heute Nachmittag bist du entschuldigt. Schwimmen wäre das gewesen, nicht wahr? Pack stattdessen deine Sachen aus. Ich werde den Oberpriester informieren.« Huy verbeugte sich, und Harmose schritt davon.
»Es ist wieder passiert, nicht wahr?«, fragte Thutmosis, als sie in der Kammer waren und Huy sich auf das unbezogene Bett sinken ließ. »Mit Samentuser? Wie sieht sein Schicksal aus, Huy?«
»Ich denke nicht, dass ich dir das Schicksal von jemand anderem außer dir selbst verraten darf«, murmelte Huy. »Thutmosis, hast du dir von deinem Vater Wein mitgeben lassen? Ich könnte ein oder zwei Schlucke gebrauchen.«
Thutmosis wühlte in seiner Tasche und förderte einen kleinen Krug und einen Becher zutage. »Ich beziehe dein Bett, während du ihn trinkst«, bot er an, doch Huy schüttelte den Kopf.
»Es geht mir schon besser. Lass mich trinken, und dann kümmere ich mich um meine Pflichten. Götter, ist es schön, wieder mit dir hier zu sein.«
Die Abendmahlzeit wurde wie üblich im Hof serviert. Huy und Thutmosis holten sich ihr Essen von dem langen Tisch, fielen ein in das Dankgebet zu Re, das ein Priester sang, und setzten sich, den Rücken an die warme Wand ihrer Kammer gelehnt, ins Gras. Mehrere Jungen kamen herüber und hockten sich neben sie. Sie tunkten ihr Sesambrot in die duftende Knoblauch-Zwiebel-Suppe und brachten Huy in allen Schulangelegenheiten auf den neuesten Stand. »Wir arbeiten uns immer noch durch die Weisheiten des Amenemope«, berichtete einer und zog eine Grimasse. »Wir sind gerade mit der achten Strophe durch. ›Verankere deine Rechtschaffenheit in den Bäuchen der Menschen‹ und so weiter. Zweimal die Woche kommt jetzt ein Architekt und bringt uns die Grundlagen seines Gewerbes bei. Ich finde das sehr spannend. Vielleicht ändere ich meine Pläne und werde Architekt statt Schreiber. Mein Vater könnte mir irgendwo eine Ausbildungsstelle verschaffen, wenn ich die Schule verlasse.«
»Mir gefällt das nicht so gut«, sagte Thutmosis. »All diese Pläne und Winkel und Berechnungen der Beanspruchungen verschiedener Steinarten. Ich werde der Nachfolger meines Vaters als Gaufürst von Iunu. Eine Unterweisung, woran ich einen guten Architekten erkenne, wäre hilfreicher als diese Einzelheiten. Was meinst du, Huy?«
Huy hatte die getrockneten Feigen und Datteln auf seinem Teller hin und her geschoben. »Ich weiß ja nicht einmal, ob ich auf der Schule bleiben darf, also denke ich lieber nicht über meine Zukunft nach«, sagte er langsam. »Mein größter Wunsch ist, ein guter Schreiber zu werden, aber es kann auch sein, dass ich bloß für meinen Onkel Blumen abschneide. Ich muss auf den Bescheid des Vorstehers warten.«
»Nach dem, was dir passiert ist, sollte die Schule für dich kostenlos sein!«, sagte einer der Jungen empört. »Oder Sennefers Vater sollte sich der Verantwortung stellen. Ich habe gehört, wie unser Lehrer zum Vorsteher gesagt hat, etwas derart Schreckliches sei an der Schule noch nie passiert!«
Thutmosis rümpfte die Nase. »Versuch mal, aus dem Mann etwas herauszupressen. Er ist Fürst des Nart-Pehu-Sepats, doch wenn es nach ihm ginge, würde er dem Uas-Gau vorstehen, in dem der König lebt. Mein Vater sagt, dass er sogar eifersüchtig auf den Wesir ist und sich einbildet, größer zu sein als der Amun-Oberpriester persönlich. Das ist kein glücklicher Mensch.«
»Wie sollte er das auch sein mit einem Sohn wie Sennefer«, warf jemand ein, und alle lachten.
Huy stand auf. »Ich freue mich auf den Unterricht morgen, aber jetzt bin ich müde. Ich denke, ich werde den Rest des Abends auf meinem Bett verbringen. Es ist herrlich, euch alle wiederzusehen.« Er brachte seine leeren Schüsseln zu dem Diener hinter dem Tisch. Als er sich umdrehte, hielt Pabast ihn auf.
»Ich habe gehört, dass du wieder da bist«, sagte er herrisch. »Ich komme morgen früh, um mir deine Wunde anzusehen und zu überlegen, wie ich die Stelle rasieren kann, ohne dass es wehtut.«
Huys Lächeln wurde breiter, als er die wichtigtuerische Miene des Mannes sah. »Ich gehöre jetzt zu den Älteren hier und kann meine Haare tragen, wie ich will. Und ich habe beschlossen, sie wachsen zu lassen, Pabast. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich werde sie regelmäßig waschen und einölen. Ich weiß deine Besorgnis zu schätzen und
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