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Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)

Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerri Russell
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Doch bald war für Isobel möglicherweise zu spät. Er musste jetzt etwas unternehmen.
    Er lief zu den Stallungen. Mit einem ausgeruhten Pferd und ein bisschen Glück würde er sie finden. Er saß auf, doch dabei fuhr ihm ein Ziehen durch das linke Bein, was ihn daran erinnerte, dass sein Vater ihm den Schicksalsstein zugesteckt hatte. Grübelnd zog er den Stein aus dem Schaft und hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger fest.
    Wäre Brahan doch nur hier. Er könnte den Stein benutzen, um Isobel ausfindig zu machen. Was hatte sein Vater noch gleich gesagt? Seine eigene Familie hatte die Gabe besessen, mit der Hilfe dieses Steins in die Zukunft zu blicken. Weil es nur eine Hälfte des Steins war, hatte Brahan in seinen Visionen nie richtig klare Bilder gesehen, die eine eindeutige Vorhersage erlaubten. Und doch waren einige dieser Visionen eingetreten.
    Aber welchen Preis hatte Brahan dafür bezahlt? Wolf musste an die schneeweiße Strähne denken, die deutlich machte, wie viel Lebensenergie ihn jedes dieser Bilder kostete. Und Isobel … sie wurde von eisiger Kälte heimgesucht, sobald sie eine Vision hatte.
    Wolf nahm den Stein in die Hand, dann drückte er ihn gegen die Stirn. Diesen unvollständigen Stein zu benutzen, um die Zukunft vorherzusagen, forderte einen Preis, den er aber bereitwillig zahlen würde, wenn er so seine Frau wiederfinden konnte. Die Zeit des vorsichtigen Handelns war vorüber. Die Zeit des gedankenlosen, riskanten Handelns war stattdessen angebrochen, und das schon am Abend zuvor, als er sich gegen seinen Vater stellte und nur auf sein Herz hörte.
    Er schloss die Augen und vertrieb jeden Gedanken aus seinem Kopf. »Zeig mir Isobel«, flüsterte er in den Wind.

Achtundzwanzigstes Kapitel
     
    Granges Hand traf Isobels Wange mit solcher Wucht, dass sie rücklings auf den Waldboden geschleudert wurde. Krampfhaft versuchte sie nach Luft zu schnappen.
    »Wo ist dein Ehemann mit der anderen Hälfte?«
    »Ich weiß es nicht.« Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf und versuchte, nicht nur ihre Angst zu vergessen, sondern auch den Schmerz, den Granges Ohrfeige ihr zugefügt hatte.
    »Lüg mich nicht an.« Er bückte sich und zog sie mühelos hoch, bis sie wieder vor ihm stand. »Ich bekomme den Stein so oder so.« Sein Tonfall hatte etwas trügerisch Sanftes an sich.
    »Ihr habt bereits den Stein meiner Mutter …»Wieder wurde sie von Grange geschlagen.
    »Ich brauche beide, um das zu bekommen, was ich haben will.«
    Alles drehte sich vor Isobels Augen. »Ich werde Euch niemals helfen.«
    Abermals schlug er zu.
    Sie schwankte leicht hin und her. Nein, sie würde ihm niemals verraten, was sie über Wolfs Stein wusste. Was konnte er ihr schon Schlimmeres antun als das, was sie und ihre Mutter bereits erduldet hatten? »Lieber sterbe ich, ehe ich Euch helfe …»
    Der nächste Hieb war so schmerzhaft, dass sie in eine willkommene Bewusstlosigkeit fiel, noch bevor sie auf dem Waldboden aufschlug.
     
    »Komm schon, wach endlich auf. Meine Geduld ist bald am Ende. Du warst fast den ganzen Tag lang bewusstlos!«
    Isobel blinzelte und schaute in Granges Augen, der sich über sie gebeugt hatte.
    »Sehr gut, du bist wieder wach. Ich hatte bereits befürchtet, ich könnte dich schwerer verletzt haben. Das geht natürlich nicht, denn ich brauche dich bei Bewusstsein, damit du auslegen kannst.«
    »Auslegen? Was soll ich auslegen?«, krächzte sie, da ihre Kehle wie ausgedörrt war. Als ihr Blick klarer wurde, erkannte sie zu ihrem Schrecken, dass sich über ihr nicht die Baumkronen des Waldes befanden, sondern das Dach von Wolfs Baumhaus. Sie wollte sich aufsetzen, doch das gelang ihr nicht, da ihr Hand- und Fußgelenke an die Bodenbretter gefesselt waren.
    Wieder war sie eine Gefangene.
    Das Licht der einsetzenden Abenddämmerung fiel durch die Fenster und tauchte den Raum in einen dunklen goldenen Schein, was sie an das eine Mal denken ließ, als Wolf sie hergeführt hatte. An diese schönen Erinnerungen klammerte sie sich. Das musste sie auch, wenn sie nicht von Angst und Verzweiflung überwältigt werden wollte.
    Grange strich ihr die Haare aus dem Gesicht. »Armes kleines Ding. Du hast ja Angst.«
    Sie wehrte sich erfolgreich gegen ein plötzliches Schaudern, da sie ihm diese Genugtuung nicht gönnte. Er wollte ihr diese Angst einreden. Das war seiner Miene deutlich anzusehen. Ihre Angst verlieh ihm Macht über sie, doch diese Macht würde sie ihm nicht zugestehen.
    »Du solltest dich auch

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