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Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)

Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerri Russell
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einen Moment lang hinauszuzögern.
    Gemeinsam gingen sie zu einem an der gegenüberliegenden Wand stehenden Tisch. Dort gab Wolf verschiedene trockene Substanzen in eine kleine eiserne Form, die er in den sonderbar geformten Ofen schob. Während er zum Tisch zurückkehrte, konnte Isobel sich nicht von dem Anblick der Form losreißen, deren Inhalt sich in der Hitze des Feuers in eine blassgrüne Flüssigkeit verwandelte.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    Mit einem langen Metallrohr in der Hand kehrte er zurück. »Glas in seiner reinsten Form.« Gleich neben ihr stellte er einen Hocker ab und setzte sich hin. »Komm, ich zeige es dir.«
    Isobel nahm auf seinen Knien Platz und spähte in die Flammen, während er das lange dünne Rohr in die Form eintauchte und die klebrige Flüssigkeit damit aufnahm.
    Der Ofen strahlte intensive Hitze aus, und ihr schlug ein stechender Geruch entgegen. Isobel wusste, sie sollte lieber auf Abstand gehen, doch sie konnte sich nicht von der Stelle rühren. Zu faszinierend war der Anblick, wie das geschmolzene Glas an dem Metallgebilde haftete.
    Mit gleichmäßigen, sicheren Bewegungen drehte Wolf das Rohr, so dass der Klumpen sich fast gleichmäßig verteilte und die Form einer Kugel annahm. Wolf hielt inne und sah zu Isobel. »Halt das bitte für einen Moment.«
    Bevor sie etwas erwidern konnte, drückte er ihr das Rohr in die Hand, das sich als überraschend schwer entpuppte und schwierig zu halten war, da sich das größte Gewicht am anderen Ende befand. Krampfhaft hielt sie das Rohr hoch, während sich die Kugel verformte und drohte, auf die mit Asche überzogenen Scheite zu tropfen.
    Flink zog er sein Leinenhemd aus und warf es zur Seite. Der Schein der Flammen tanzte über seine Brust und betonte seine angespannten Muskeln. Dieser Mann strahlte pure Kraft aus. Dieser Mann, der ihr Ehemann und nun auch ihr Geliebter war.
    Isobel schluckte und benetzte die Lippen, da ihr plötzlich bewusstwurde, wie warm es in diesem kleinen Gemach eigentlich war. Als wollte ihr Körper diese Erkenntnis unterstreichen, lief ihr ein Schweißtropfen über die Schläfe und landete auf ihrer Brust.
    »Nach einer Weile kann die Hitze unerträglich werden. Du solltest dein Kleid besser auch ausziehen.« Seine Worte und die Erinnerung daran, was sie beide erst vor kurzem erlebt hatten, genügten, um auch den letzten Rest der eisigen Kälte zu vertreiben. Ihre Arme und Beine fühlten sich wieder warm an, und ihre Hände wurden kraftlos, so dass sich das Rohr bedenklich neigte. Gerade noch rechtzeitig bekam Wolf das Objekt zu fassen. »Ich mache jetzt weiter.«
    Sie ließ das Rohr los, und plötzlich kam es ihr so vor, als würde ihre Kleidung vor Wärme dampfen. Wieder fielen Schweißtropfen in ihr Dekolleté, und ihr wurde klar, dass sie nur noch mehr schwitzen würde, wenn sie weiter vollständig angezogen vor dem Ofen sitzen blieb. Damit war die Entscheidung gefallen, und sie zog das schwere Kleid aus. Kühle Luft strich ihr über die Haut, und sie fühlte sich sofort viel wohler. Ihr Blick kehrte zurück zu dem zähflüssigen Glasklumpen.
    »Freust du dich, hier bei mir zu sein, Isobel?«
    Isobel. Nur ihre Mutter hatte sie jemals so genannt, und doch kam es ihr richtig vor, die förmlichere Variante ihres Namens aus seinem Mund zu hören. Es war so wie mit vielen anderen Dingen, die ihr hier bei ihm genau richtig erschienen, und das, obwohl sie beide zu dieser Ehe gezwungen worden waren und es Anschläge auf jeden von ihnen gegeben hatte. »Aye«, antwortete sie auf seine Frage. »Ich freue mich.« Aber würde er sich auch noch so freuen, wenn er von ihren Geheimnissen wusste? Sie verdrängte diesen Gedanken. Er hatte ihr gesagt, ihre Vergangenheit sei nicht von Bedeutung. Nur die Gegenwart war wichtig, und die spielte sich genau hier und jetzt ab.
    Zufrieden nickend, widmete er sich wieder seiner Beschäftigung, hielt den fester werdenden Glasklumpen abermals in die Flammen, während er das Rohr weiter konzentriert drehte. »Ich gebe dem Glas jetzt mehr Masse, bis mir die Farbe und die Menge zusagen«, erklärte er.
    Dann zog er das Glas aus dem Ofen, hielt das Rohr an seine Lippen und begann zu blasen. Fasziniert sah Isobel zu, wie der Klumpen zu einer Blase heranwuchs. Durch seinen Atem nahm das flüssige Glas eine Form an, die vor einigen Augenblicken noch nicht existiert hatte. Er nahm das Rohr vom Mund und hielt es ihr hin. »Jetzt du.«
    Das Rohr war warm, aber nicht zu warm, um es anzufassen.

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