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Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)

Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerri Russell
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Unsicherheit hielt sich beharrlich in ihrem Hinterkopf. »Diese Fähigkeit möchte ich überhaupt nicht besitzen.«
    Wolf griff nach ihrem Halsband. »Dieser Stein sieht aus wie der von Brahan, nur ist das in seine Oberfläche geritzte Bild etwas anders.«
    Es mochte sein, dass sie keine Seherin sein wollte, doch änderte das nichts an der Tatsache, dass sie eine weitere Vision erlebt hatte. Das konnte sie nicht abstreiten. Aber was wollte diese Vision ihr sagen? Dass der Tod auf sie wartete, wenn sie weiter mit einer Lüge lebte?
    Eine Gänsehaut lief ihr über den ganzen Leib, doch das hatte nichts damit zu tun, dass Wolf ihren nackten Körper in den Armen hielt. Der Grund dafür war eine Kälte, die tief aus ihrem Inneren kam. Eine so entsetzliche Kälte, dass sie sich fragte, ob sie so etwas jemals zuvor erlebt hatte.
    Er hielt sie gegen seine Brust gedrückt, und sie ließ ihn gewähren, da sie nicht auf die Wärme und Sicherheit verzichten wollte, die er ihr spendete. Als er ihr Zittern bemerkte, stand er auf und humpelte durch den Raum zu einer kleinen Holztruhe, aus der er für sich frische Kleidung holte. Dann hob er ihr Kleid und das Unterkleid auf und kehrte damit zum Bett zurück, um ihr beides anzuziehen. Schließlich setzte er sich zu ihr und betrachtete ihr Gesicht. »Ist dir jetzt wärmer?«
    »Nein«, antwortete sie ehrlich. »Diese Kälte ist noch schlimmer als nach meiner letzten …»
    »Vision«, führte er ihren Satz zu Ende, da sie plötzlich verstummt war.
    Das Wort ließ sie zusammenzucken. Wenn sie zugab, dass es sich um Visionen handelte, bedeutete das für sie, daran glauben zu müssen, dass das Gesehene auch so eintreten würde. Er hatte sie gebeten, ihm nicht die Wahrheit zu sagen. Wenn sie diesen Wunsch weiterhin befolgte, würde sie dann mit ihrem Leben dafür bezahlen müssen?
    Es musste doch eine andere Möglichkeit geben, irgendetwas, woran sie nur nicht dachte. Wolf strich über ihre Schulter, und sie nahm seine Körperwärme durch den dünnen Stoff wahr. Trotzdem zitterte sie immer noch, weil sie die Kälte bis in ihre Knochen spürte. Wenn sie nicht so frieren würde, hätte sie vielleicht einen vernünftigen Gedanken fassen können, doch dafür war ihr Verstand zu träge.
    Wolf sah sie mit besorgter Miene an. »Wenn Brahan eine Vision hat, dehnt sich seine weiße Strähne um ein paar Haare mehr aus. Vielleicht geschieht etwas Ähnliches mit dir, nur dass du dafür deine Körperwärme opferst.« Wolf nahm eine Decke vom Bett und legte sie ihr um die Schultern.
    »Wenn das stimmen sollte«, antwortete sie, obwohl sie mit den Zähnen klapperte, »dann erfriere ich nach der nächsten Vision ganz sicher.« Sie atmete tief durch und klammerte sich an einem Gedanken fest, der ihr soeben durch den Kopf ging. Mit zitternden Händen packte sie die Kette, ohne dabei den Stein zu berühren, und öffnete den Knoten, damit sie das Erinnerungsstück an ihre Mutter abnehmen konnte.
    »Was machst du da?«
    »Ohne die Kette erlebe ich keine weiteren Visionen.« Sie griff nach einer kleinen, mit kunstvollen Schnitzereien versehenen Schatulle auf dem Nachttisch und legte die Kette hinein.
    »Würdest du mir einen Gefallen tun?«, fragte sie Wolf.
    »Was immer du willst.«
    »Versteck das vor mir. Leg es dorthin, wo ich den Stein nicht wiederfinden kann.«
    »Aber warum?« Verdutzt nahm er die Schatulle an sich.
    »Der Stein hat mir mein Leben lang nur Elend eingebracht.« Sie senkte den Blick, da sie ihm nicht länger in die Augen sehen konnte und fürchtete, er könnte ihr ansehen, welche Geheimnisse sie ihm verschwieg. »Mein Leben hier hat das alles geändert. Nimm ihn bitte an dich.«
    »Wenn du das wahrhaftig möchtest, dann tue ich das.«
    »Danke.« Es erschien ihr ein viel zu schwaches Wort für die Gefühle zu sein, die damit verbunden waren. Ohne die Kette und den Stein würden die Visionen aufhören, und womöglich konnte sie damit auch verhindern, dass Wolf die Wahrheit über ihre Vergangenheit in Erfahrung brachte. Wenn der Stein nicht in ihre Nähe kam, galt das vielleicht auch für die Zukunft, die er ihr zeigte. Im Augenblick war es der einzige Weg, den sie einschlagen konnte.
    Trotz ihrer Erleichterung zitterte sie weiter wie im kältesten Winter. »Wenn ich nur wüsste, wie ich mich wärmen kann«, grübelte sie und zog die Decke enger um sich.
    »Komm mit, ich weiß den richtigen Ort dafür.«
    Ehe sie etwas erwidern konnte, stellte er die Schatulle auf das Kissen, nahm Isobels

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