Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
den Bergen hindurch, den zu benutzen nur die Ziegen verrückt genug waren. Und das auch nur, wenn dieser Pfad hier durch Regen so glatt und mörderisch war wie der Rücken des Teufels.«
Wolf bemerkte die besorgten Blicke der anderen Männer. Die Hügel ringsum waren Ursprung für so manchen Aberglauben. Er kannte die Gerüchte über die Route vor ihnen. Eine Route, von der man sagte, der Schöpfer habe diese Gebirgskette mit ihren steilen Schluchten und den tödlichen Hängen an einem Tag erschaffen, an dem er schreckliche Wut verspürt hatte.
Und er kannte auch die Gerüchte über den Pfad, von dem Brahan sprach. Ein Pfad, den nur Verrückte bereisten und der den Namen »Teufelsmaul« trug.
»Du weißt, wo dieser Weg verläuft?«, fragte Wolf.
»Aye.«
Wieder musterte Wolf seine Männer und versuchte ihnen anzusehen, ob sie bereit waren, dieses zusätzliche Risiko einzugehen. Sie saßen alle auf ihren Pferden, keiner von ihnen ließ Angst erkennen, als sie ihm wortlos ihr Einverständnis gaben, ihm zu folgen.
»Dann zeig uns den Weg«, forderte er Brahan auf.
Der Weg war nicht viel mehr als eine Spalte zwischen zwei sich gegenseitig immer wieder überlappenden Felswänden, die mindestens vierzig Fuß in die Höhe ragten. Der Zugang war mit Sträuchern und Dornbüschen versperrt, so dass es lediglich nach einer Kerbe im Gestein aussah. Die Männer brauchten eine ganze Weile, ehe sie das Gestrüpp beseitigt hatten.
Die Schlucht war gerade noch breit genug, um einem Pferd Platz zu bieten. Es verwunderte nicht, dass die Tiere scheuten, als sie in die Dunkelheit vordringen sollten.
»Wir brauchen Fackeln«, entschied Wolf, während er versuchte, sein Pferd zu beruhigen. Er verstand nur zu gut, warum sich das Tier so sträubte und aufregte. Er selbst musste sich auch überwinden, in dieses klaffende schwarze Maul vorzustoßen. Aber das war der Weg, der ihn zurück zu Isobel führte, und deshalb war er bereit, ihn zu nehmen.
Er ließ sich von einem seiner Männer eine Fackel geben und trieb sein Pferd an, damit es in die Dunkelheit eintauchte. Zwar war im Lichtschein der Fackel der mit Feuchtigkeit bedeckte Fels zu erkennen, doch sofort erfüllte der rußige Rauch der Flamme die Luft. Seine Augen begannen zu brennen und tränen, doch nachdem der Zugang durchschritten war und die Decke höher reichte, sorgte der Luftzug dafür, dass die Fackeln ordentlich brannten.
Sein Pferd zitterte, doch Wolf trieb es weiter in die dunkle Leere, die direkt vor ihm vom goldenen Schein seiner Fackel erhellt wurde. Wiederholt spürte er, wie er mit dem einen oder dem anderen Bein an der Felswand entlangscheuerte, doch davon ließ er sich nicht aufhalten. Es war immer noch besser, wenn seine Knie, nicht aber die Flanken seines Tiers in Mitleidenschaft gezogen wurden. Solange das Pferd nicht das Gefühl bekam, es müsse stecken bleiben, würden sie es schon schaffen. Jeder Schritt brachte ihn Isobel ein Stückchen näher. Ob sie nun eine Balliol war oder nicht, für ihn zählte nur, dass sie seine Ehefrau war.
Hundert Schritt … Die Luft wurde schwer und stickig, der Gestank von Zerfall umgab sie, je weiter sie ins Innere des Bergs vordrangen. Das Licht der Fackeln sorgte auf dem dunklen Gestein für ein unheimliches Leuchten, das die Oberfläche im einen Moment menschlich, im nächsten wie die Umrisse einer Bestie aussehen ließ. Der Trupp verfiel in einhelliges Schweigen, das Wolf verriet, dass nicht allein seine Fantasie ihm einen Streich spielte. Das einzige Geräusch kam von den verängstigten Pferden, wenn die an einem Felsvorsprung vorbeistrichen.
Zweihundert Schritt … Die angespannte Haltung seiner Schulter und des Nackens war kaum noch auszuhalten. Eine immense Last drückte ihm auf die Brust, die Zeit schien sich endlos zu dehnen. Die Dunkelheit und Stille machten die Sinne unempfindlich für alles, nur nicht für den stechenden Schmerz, der von den ungeschützten Körperpartien ausging. So schlimm, wie die Schmerzen waren, musste das Fleisch eigentlich in Fetzen von den Knochen herunterhängen.
Dreihundert Schritt … vierhundert … fünfhundert. Nach einer Weile hörte er auf zu zählen und verfiel stattdessen in den Rhythmus seines Herzschlags, der in seinen Ohren pulsierte. Er versuchte, etwas in der Dunkelheit jenseits der Reichweite der Fackel auszumachen. Als er schließlich irgendwo in weiter Ferne einen weißen Punkt entdeckte, schob er das zunächst auf seine Müdigkeit, die seinen Sinnen Streiche
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