Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
ziehen uns jetzt zurück.«
»Und was glaubst du, wie du unbehelligt von hier wegkommst? Ihr seid von meinen Leuten eingekreist«, raunte sein Vater ihm zu.
»Indem wir reiten.« Wolf sah zu seinen Männern, die ihn aufmerksam beobachteten. Mit einer minimalen Kopfbewegung gab er ihnen das Zeichen zum Rückzug. Die machten wie ein Mann mit ihren Pferden kehrt und ritten auf die Soldaten des Königs zu. Da die keinen Befehl hatten, die Reiter aufzuhalten, machten sie ihnen Platz.
»Wenn du jetzt gehst, dann hole ich mir alles zurück, was ich dir je gegeben habe«, rief der König ihm zu, um das Hufgetrappel auf dem feuchten Boden zu übertönen.
Wolf bedeutete seinen Männern weiterzureiten, während er selbst sich zu seinem Vater umdrehte. »Und was genau hast du mir gegeben, Vater? Abgesehen von meinem Leben, hast du mir eine Braut gegeben, nur um mir mit deren Ermordung zu drohen.« Wolf wunderte sich, wie leicht es ihm auf einmal fiel, über die eine Sache zu reden, die für ihn bislang immer so schmerzhaft gewesen war. Es war nicht länger von Bedeutung -; die Vernachlässigung in seiner Kindheit, die Verbitterung und die Hinterlist, die er als Erwachsener so viele Jahre hatte erdulden müssen. Nichts zählte mehr, ihm war nur wichtig, dass er endlich frei war.
»Ich gab dir meinen Namen«, antwortete der König verächtlich. »Als unehelicher Sohn hätte es für dich schlimmer kommen können.«
Die Worte, die ihn früher so tief verletzt hatten, prallten jetzt wirkungslos von Wolf ab. »Das war ein Geschenk, das ich nie haben wollte. Ich gebe es dir nur zu gern zurück.« Dann ließ er sein Pferd wieder kehrtmachen und folgte seinen Männern.
»Warte«, befahl ihm der König.
Gegen seinen Willen brachte Wolf das Pferd zum Stehen.
Der König kam zu ihm geritten, bis er so dicht war, dass er mit seinem Bein das von Wolf berührte. Einen Moment lang saß er dabei so sehr in seinem Sattel vornübergebeugt, als sei er alt und gebrechlich.
Instinktiv streckte Wolf die Hand aus und stützte ihn.
Nach einem dankbaren Nicken erklärte sein Vater: »Zieh dich mit deinen Männern zurück, aber sei gewarnt. Wenn dieser Kampf vorbei ist, komme ich zu dir. Dessen kannst du dir sicher sein.«
»Ich werde auf dich warten.« Dann trieb er sein Pferd zur Eile an, um wegzukommen. Dabei bemerkte er, dass plötzlich etwas in seinem Stiefel steckte, das sich gerade eben noch nicht dort befunden hatte. Er griff in den Schaft und zog etwas heraus.
In seiner Hand lag die Stewart-Hälfte des Schicksalssteins. Sein Vater musste ihn ihm zugesteckt haben, als der sich im Sattel nach vorn gebeugt hatte. Es musste einen Grund für das Verhalten des Königs geben -; nur welchen?
Stellte dieser Gegenstand so etwas wie eine Abmachung zwischen ihnen dar? Oder wollte er damit nur ein zukünftiges Feuer schüren? Mit einer Mischung aus Verärgerung und Ernüchterung schob er den Stein zurück in den Stiefel. Zweifellos würde sein Vater den Grund enthüllen, wenn er es für richtig hielt.
Darauf bedacht, alle Überlegungen rund um seinen Vater weit hinter sich zu lassen, spornte er sein Pferd zum Galopp an, bis er sich an die Spitze seiner Männer gesetzt hatte und vor ihnen her den bergigen Pfad zurück nach Hause ritt.
»Du hast es aber eilig zurückzukehren«, stellte Brahan fest, als sie sich mit den Pferden am Fuße des Passes sammelten, wo sie den Tieren erst noch eine Verschnaufpause gönnten, ehe sie den steilen, schmalen Pfad in Angriff nahmen.
Wolf betrachtete den vor ihnen liegenden Weg. »Wie es aussieht, hat unsere Eile hier ein Ende.« Durch das Unwetter der letzten Nacht war der Pfad nass und rutschig geworden. So sehr er sich auch wünschte, schnellstens nach Hause zu gelangen, konnte er nicht außer Acht lassen, dass der Weg über den Pass langwierig und gefährlich sein würde. »Wenn wir um den Berg herumreiten, brauchen wir doppelt so lange.« In beide Richtungen würden sie jeweils einen Tagesritt benötigen, ehe sie auf einen anderen, ungefährlicheren Pass stießen. »Sag den Männern, wenn die Pferde ausgeruht sind, machen wir uns langsam und vorsichtig auf den Weg. Wir können es nicht riskieren, dass die Tiere sich verletzen.«
»Und wenn ich dir sagen würde, dass wir noch eine andere Wahl haben?«
Wolf sah seinen Freund aufmerksam an. »Du kennst einen anderen Weg um den Berg herum?«
Brahan nickte. »Als Kind waren diese Wälder und Berge mein Zuhause. Ich hörte Geschichten über einen Weg zwischen
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