Der Seitensprung
aus, stellte die Flasche auf den Badewannenrand und versank im Schaum. Allmählich fand sich Ruhe ein. Der Cidre hatte seine Aufgabe erfüllt.
Nacka war das Problem. Von dort musste sie wegkommen. Schon jetzt spürte sie das befreiende Gefühl, die Bezirksgrenze überschritten zu haben. Hier konnte sie wieder atmen und klar genug denken, um zu begreifen, dass die Schuld nicht allein bei ihr lag, obwohl sie Fehler gemacht hatte. Ihr Handeln hatte eine Ursache. Wenn sie das Haus verkauften und sie in die Innenstadt zog. Axel könnte in einem neuen Kindergarten anfangen, wo niemand sie kannte.
Sie nahm noch einen Schluck.
Es würde gehen. Es gab trotz allem eine Zukunft.
»Ist es schön?«
»Ja klar. Danke.«
Seine Stimme ganz dicht an der Tür.
Als sie gerade dachte, er wäre wieder gegangen, fuhr er fort. Er klang jetzt noch näher, als hielte er den Mund direkt an den Türspalt.
»Ich will dir nichts Böses antun, im Gegenteil. Das verstehst du doch?«
Ein stechendes Unbehagen mitten in dem wohltuenden und vertrauten Badeschaum.
»Ja.«
»Gut.«
Sie hatte sich gerade wieder zurechtgelegt und die Augen geschlossen, als sie das Geräusch hörte. Sie drehte den Kopf und sah, wie der rote Halbmond auf weiß gedreht wurde, und im nächsten Augenblick stand er in der offenen Tür. Sie rutschte so tief sie konnte, um sich mit dem Schaum zu bedecken.
»Ich möchte hier drinnen gern meine Ruhe haben, danke.«
Er lächelte sie an.
»Du hast hier deine Ruhe.«
Er nahm das Badelaken, legte es sich auf den Schoß und setzte sich auf den Klodeckel.
»Allein, meine ich.«
Wieder lächelte er, traurig diesmal, als wüsste sie nicht, was am besten für sie war.
»Bist du nicht lange genug allein gewesen?«
Plötzlich bekam sie Angst. Wollte aufstehen und die Wohnung verlassen. Aber nicht, solange er sie sehen konnte.
»Warum siehst du so ängstlich aus? Ich weiß doch bereits, wie schön du bist. Das hast du mir ja schon einmal gezeigt, wie sollte ich es jemals vergessen können?«
»Ich habe gesagt, wir trinken nur einen Birnencidre.«
»Ja. Und jetzt haben wir zwei getrunken. Und du wirst so viele bekommen, wie du möchtest. Ich habe sie für dich gekauft.«
Er hatte nichts Bedrohliches an sich, strahlte einzig und allein Wohlwollen aus. Dennoch sagte ihr etwas, dass sie von hier verschwinden sollte, so bald wie möglich von hier verschwinden sollte.
»Warte kurz, ich gebe dir etwas Schönes, das kannst du anziehen, wenn du mit Baden fertig bist.«
Er stand auf.
»Nicht nötig, ich nehme meine Sachen.«
»Du hast etwas Schöneres verdient.«
Auf dem Weg in den Flur schnappte er sich ihre Sachen und nahm das Badelaken mit. So schnell sie konnte stand sie auf und riss das Gästehandtuch an sich. Sie musste von hier weg. Der Schaum blieb glitschig auf ihrer Haut liegen, als wäre das Handtuch gegen Nässe imprägniert.
Dann stand er wieder in der Tür.
Sie versuchte, sich so gut es ging zu bedecken.
Er hielt mitten in einem Schritt inne und blieb ganz still stehen. Als hätte er vergessen, dass sie sich dort drinnen befand, und sähe sie nun zum ersten Mal. Beschämt senkte er den Blick, als er ihre Nacktheit gewahr wurde.
»Verzeihung.«
»Gib mir das Handtuch.«
Unendlich langsam näherte sich sein Blick. Über den Fußboden und die Badematte, dann an der Badewanne empor, Kachel für Kachel tastete er sich zu ihr hinauf. Als er ihren nackten Körper erreichte, den sie so krampfhaft hinter dem winzigen Stück Stoff zu verbergen versuchte, sah sie unverhohlene Bewunderung in seinem Gesicht. Ein Keuchen, als seine Augen bei ihren Schenkeln ankamen und über das Handtuch eilten, um wieder auf ihre Haut über den Brüsten zu treffen.
»Mein Gott, wie schön du bist.«
Seine Stimme bebte.
»Gib mir das Handtuch.«
Ihr scharfer Befehl riss seinen Blick fort, und er starrte wieder auf den Fußboden. Dann legte er etwas auf den Toilettendeckel, ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
Schnell war sie aus der Wanne und versuchte, sich so gut es ging abzutrocknen.
»Gib mir meine Kleider.«
»Er liegt auf der Toilette.«
Die Nähe seiner Stimme ließ sie zusammenzucken, sein Mund an den Türspalt gepresst. Sie raffte an sich, was da auf dem Klodeckel lag. Nie im Leben. Gefüttert und aus einem glänzenden Stoff, der an den beanspruchtesten Stellen aufgeraut war.
Ein alter, geblümter Morgenmantel.
»Ich will meine Sachen.«
»Warum so böse? Ich habe sie im Spülbecken eingeweicht. Zieh jetzt
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