Der Seitensprung
dasselbe für ihn empfand.
»Warum hast du dich jahrelang nicht getraut, Kerzen anzuzünden?«
Der Versuch zu einem Gespräch. Sich vorsichtig herantasten, um ihn allmählich zu verstehen.
Er sah sie an und lächelte ein bisschen.
»Es gibt so vieles, was du nicht über mich weißt, was ich noch nicht erzählen konnte.«
Falsche Spur. Sie musste sich bemühen, von Anfang an klare Verhältnisse zu schaffen.
»Ich möchte dich um etwas bitten.«
Er war ihr zuvorgekommen, bevor sie fortfahren konnte.
»Um was denn?«
Er schluckte.
»Ich möchte, dass du hierher kommst und dich ein Weilchen zu mir setzt, solange du ihn anhast.«
»Warum?«
Er zögerte lange, bevor er weitersprach, sie konnte sehen, dass er die Worte von tief drinnen hervorholen musste, dass es eine Überwindung für ihn war, seinen Wunsch auszusprechen.
»Ich möchte nur ein bisschen den Kopf in deinen Schoß legen.«
Fast unhörbar. Verlegen auf seine Hände blickend.
Es war unmöglich, vor einer so jämmerlichen Figur Angst zu haben. Sie konnte ebenso gut sofort sagen, wie die Dinge lagen, damit sie endlich von hier wegkam.
»Ich glaube, ich sage lieber gleich, wie es ist. Ich kann verstehen, dass du vielleicht geglaubt hast, ich oder wir ... Ich meine, es war nicht schlecht oder so, es war eben ein Fehler, ich war betrunken und habe nicht nachgedacht. Du hast vielleicht gehofft, wir würden uns wieder sehen und so, aber, um ehrlich zu sein, ich bin verheiratet.«
Er saß ausdruckslos da. Seine ausbleibende Reaktion ermunterte sie fortzufahren. Warum hatte sie nicht von Anfang an die Wahrheit gesagt? Wer wusste besser als sie, dass Ehrlichkeit am längsten währt.
»Vielleicht könnte ich mir etwas zum Anziehen von dir leihen und es dir dann zurückschicken. Mein Mann macht sich bestimmt furchtbare Sorgen, wenn ich nicht bald nach Hause komme.«
»Wieso sollte er?«
Die Stimme war plötzlich hart und kalt. Jegliches Wohlwollen daraus verschwunden.
»Natürlich macht er sich Sorgen, wenn ich nicht nach Hause komme.«
Den neuen Ton in ihrer Stimme nahm sie selbst wahr. Vorsichtiger.
Er zuckte fragend die Achseln.
»Das kommt wohl darauf an, welche Art von Ehe man führt. Ob man sich liebt oder nicht. Oder ob man des Öfteren untreu ist.«
Verletzt. Stolz und verletzt. Eine gefährliche Kombination. Sie musste behutsamer vorgehen, seine vorübergehende Hilflosigkeit hatte sie in die Irre geführt.
»Ich bin sonst nicht untreu. Mit dir war das erste Mal.«
Er rümpfte die Nase.
»Welch eine Ehre.«
Zum Teufel. Schon wieder falsch. Sie musste ihre Worte klüger wählen. Er war wie ein Minenfeld.
»Es war nicht meine Absicht, dich zu verletzen. Ich meine, wir beide sind doch erwachsene Menschen. Wir haben uns eine Weile umeinander gekümmert.«
»Du meinst, ich habe mich eine Weile um dich gekümmert? Du hast mich als Trost benutzt, weil er daheim nicht mehr zur Verfügung stand? Oder wolltest du ihn vielleicht eifersüchtig machen oder dich für irgendetwas rächen?«
Sie blieb stumm.
»Und hast du dir eigentlich Gedanken darüber gemacht, wie es mir geht, nachdem du mich ausgenutzt hast?«
Sie antwortete nicht. Fand keine andere Entschuldigung, als dass ein jeder die Verantwortung für sein eigenes Leben trägt, aber das auszusprechen war nicht der richtige Moment. Verdammter Mist. Sie musste von hier weg.
»Ich habe doch gesagt, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich kann doch nicht mehr tun, als mich zu entschuldigen.«
»Und dein Mann? Liebst du ihn?«
Nein.
»Ja.«
»Und wenn er dich betrügen würde? Was würdest du dann machen?«
Sie schluckte.
»Das weiß ich nicht genau. Ich würde wohl versuchen, ihm zu verzeihen. Wir machen alle Fehler. Wie gesagt.«
Seine Augen wurden schmal.
»Niemand, der einen anderen hintergeht, hat Vergebung verdient. Ein Betrug kann nie verziehen, nie vergessen werden, er bleibt in einem wie eine offene Wunde. Etwas wird zerrissen und kann nie wieder ganz werden.«
Sie war nicht die Einzige im Raum, die das Gefühl kannte, so viel stand fest. Aber sie hatte keine Lust, ihn an ihren Erfahrungen teilhaben zu lassen.
Er fuhr fort.
»Wenn es einen Mann gäbe, der dich über alles liebt, der bereit wäre, alles für dich zu tun, der dir hoch und heilig versprechen kann, dich niemals zu betrügen, immer für dich da zu sein, hinter dir zu stehen. Würdest du ihn dann auch lieben?«
»So funktioniert Liebe nicht.«
»Wie funktioniert sie dann?«
»Sie geht, wohin sie will.
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