Der Seitensprung
einfacher gewesen, wenn sie wenigstens ihre Brieftasche dabeigehabt hätte.
Schweigend gingen sie die Treppen hinunter. Sie voran und er hinterher. Im Erdgeschoss überholte er sie, und sie sah, wie er seinen Ärmel schützend hinunterzog, bevor er die Klinke der Haustür berührte.
Dann waren sie draußen.
»Es ist hier unten, gleich hinter dem Park.«
Sie zögerte. Ein Spaziergang durch ein Waldstück.
»Du hast es versprochen.«
Etwas an seinem Ton machte ihr deutlich, dass sie ihr Versprechen besser hielt.
»Was ist es denn?«
»Du wirst schon sehen. Aber es ist etwas sehr Schönes.«
Sie gingen los. Der Weg war abschüssig, und bald sah sie Wasser durch die Bäume. Er schwieg. Gleich hinter dem Park, hatte er gesagt, aber der Spaziergang war viel länger. Sie wollte sich gerade widersetzen, die Kälte als Grund angeben, kam aber nicht dazu.
»Hier. Es ist hier drüben.«
Ein Haus und ein Schild, aber es war zu dunkel, als dass man hätte lesen können, was darauf stand. Ein Eisentor und ein Zaun ringsherum. Er bog von dem Spazierweg ab, ging zu dem Zaun und hob ihn einen halben Meter hoch. Mit einem Nicken forderte er sie auf, darunter hindurchzukriechen.
»Darf man wirklich hier hineingehen?«
»Kein Problem, ich bin schon oft hier gewesen. Mach dir nichts draus, wenn es Flecken auf der Hose gibt.«
Sie wollte nicht, aber sie hatte es versprochen. Wenn sie sich jetzt weigerte, müsste sie zu Fuß in die Stadt zurück. Sie seufzte, ging auf die Knie und kroch unter dem Zaun hindurch, stand wieder auf und klopfte ihre Hose ab.
Er kam hinterher.
Sie sah sich um. Mit Persenningen abgedeckte Boote. »Zutritt verboten.« Das Schild war jetzt lesbar: Årstadals Yachtclub.
»Wohin wollen wir?«
»Nur auf den Steg dort. Den rechten.«
Es war kalt, so ohne Jacke, und sie bibberte, als sie sich zwischen den Booten hindurchbewegten. Dann betraten sie den Steg, und sie tat, was er ihr gesagt hatte, bog auf den rechten ab, er war direkt hinter ihr. Als sie das Ende des Bootsstegs erreichte, blieb sie stehen und sah sich um. An ihrer rechten Seite Wald, an ihrer linken Södermalm und vor ihr Wasser. Sie drehte sich um.
»Was wolltest du mir zeigen?«
Er sah hinaus auf das schwarze Wasser, als wollte er die Antwort so lange wie möglich hinauszögern.
»Etwas, das du noch nie gesehen oder erlebt hast.«
»Was ist es denn?«
Sie wurde ungeduldig. Die Kälte setzte ihr zu.
Er stand ganz still. Dann legte er seine Hand aufs Herz.
»Hier.«
»Nun hör aber auf. Ich will hier weg. Wenn du mich nicht fahren willst, gehe ich zu Fuß.«
Eine Furche bildete sich zwischen seinen Augenbrauen.
»Warum hast du es immer so eilig?«
»Ich friere.«
Sie bereute sofort, was sie gesagt hatte, es konnte als Aufforderung missverstanden werden, sie zu wärmen.
Er schaute wieder aufs Wasser hinaus.
»Ich werde dir zeigen, was wahre Liebe ist.«
Und dann lag sein Blick wieder auf ihr.
»Falls du Zeit dafür hast.«
Sie spürte immer noch Angst, aber ihr Ärger war größer.
»Ich habe dir doch alles erklärt. Ich bin verheiratet. Ich dachte, das Thema wäre durch.«
»Verstehst du, wahre Liebe ist, wenn man so sehr liebt, dass man bereit ist, alles für den geliebten Menschen zu tun.«
»Sei doch bitte so nett ...«
Er fiel ihr ins Wort.
»So sehr liebe ich dich.«
»Du kennst mich überhaupt nicht. Du hast keine Ahnung, wer ich bin. Und egal, was du sagst, du kannst mich nicht zwingen, dich zu lieben, so funktioniert das nicht. Ich liebe meinen Mann.«
Plötzlich sah er traurig aus.
»Ich will doch nur, dass du glücklich bist. Warum erlaubst du mir nicht, dich glücklich zu machen?«
»Ich möchte jetzt wirklich gehen.«
Er machte einen Schritt zur Seite und versperrte ihr den Weg. Sie versuchte, auf der anderen Seite an ihm vorbeizukommen, aber er war schneller.
Ihr Unbehagen wurde größer, und sie begriff, dass es besser war, es zuzugeben.
»Du machst mir Angst.« Er lächelte bedrückt und schüttelte den Kopf.
»Wie kannst du Angst vor mir haben? Ich habe doch gesagt, dass ich dich liebe. Den anderen dagegen, zu dem du so eilig nach Hause möchtest, warum lässt du ihn nicht einfach gehen? Oder noch besser, schick ihn zur Hölle.«
Sie rieb sich die Arme, um sie ein bisschen aufzuwärmen.
»Weil ich ihn liebe, zum Beispiel.«
Er seufzte.
»Wie kann eine wie du einen solchen Mann lieben? Du hast etwas viel Besseres verdient. Eva, wenn du ganz ehrlich zu dir selbst bist, weißt du, dass er
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