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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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das…«
    »Ja?«
    »Ich sollte einen… Auftrag ausführen.«
    »Für wen?«
    »Sie haben mich einmal sehr fantasievoll als den Fürsprecher der Toten bezeichnet.«
    »Der Toten?«, wiederholte Mr Sattersway leicht verblüfft. »Ich verstehe Sie nicht.«
    Mr Quin wies mit einem langen dünnen Finger auf das blaue Meer tief unter ihnen. »Vor mehr als zwanzig Jahren ist dort ein Mann ertrunken.«
    »Ich weiß… doch ich begreife nicht, wieso…«
    »Angenommen, der Mann liebte seine junge Frau, trotz allem. Die Liebe kann den Menschen zum Teufel oder Engel machen. Sie betete ihn auf eine mädchenhafte Art an, doch das Weibliche in ihr konnte er nie erreichen, und das machte ihn halb wahnsinnig. Er quälte sie, weil er sie liebte. Solche Dinge passieren immer wieder. Das wissen Sie genauso gut wie ich.«
    »Ja«, musste Mr Sattersway zugeben. »Ich habe so etwas schon erlebt, doch sehr selten, sehr selten…«
    »Und Sie haben auch schon miterlebt, wie jemand bereute, dass es so etwas wie Reue gibt… den Wunsch, wieder gutzumachen… koste es, was es wolle…«
    »Ja, aber er starb zu früh…«
    »Was ist der Tod?« Verachtung schwang in Mr Quins Stimme mit. »Sie glauben doch an ein Leben nach dem Tod, nicht wahr? Und wer sagt Ihnen, dass es nicht die gleichen Wünsche, die gleichen Bedürfnisse gibt? Und wenn der Wunsch stark genug ist, findet sich vielleicht ein Bote.«
    Seine Stimme verklang.
    Ein wenig zitternd stand Mr Sattersway auf. »Ich muss wieder ins Hotel«, sagte er. »Wenn Sie den gleichen Weg haben…«
    Mr Quin schüttelte den Kopf. »Nein«, erwiderte er. »Ich kehre auf demselben Weg zurück, den ich gekommen bin.«
    Mr Sattersway ging davon. Als er über die Schulter zurückblickte, sah er, wie sein Freund auf den Klippenrand zutrat.

Die Straße des Harlekin
     
    M r Sattersway wusste selbst nicht genau, warum er die Einladung angenommen hatte. Die Denmans gehörten nicht zu den Kreisen, in denen er gewöhnlich verkehrte, weder bewegten sie sich in der großen Welt, noch waren sie Künstler, die Mr Sattersway besonders mochte. Sie waren Philister, und dazu noch langweilige Philister. Mr Sattersway hatte sie in Biarritz kennen gelernt und damals ihre Einladung, sie zu besuchen, angenommen. Er hatte sich in ihrem Haus gelangweilt und war doch immer wiedergekommen – wirklich höchst seltsam. Und jetzt war er erneut zu ihnen unterwegs.
    Warum? Diese Frage stellte er sich an jenem 21. Juni wieder, während er in seinem Rolls-Royce dahinglitt und sich immer weiter von London entfernte.
    John Denman war vierzig Jahre alt, ein solider, angesehener Geschäftsmann. Seine Freunde waren nicht Mr Sattersways Freunde, und seine Gedankenwelt war eine andere. Denman war zwar in seinem Beruf sehr erfolgreich, doch Fantasie besaß er nicht.
    Warum fahre ich nur hin?, überlegte Mr Sattersway. Und die Antwort, die ihm einfiel, war so seltsam und unglaublich, dass er sie am liebsten verdrängt hätte. Denn der wahre Grund für seinen Besuch war der Umstand, dass ein Zimmer des Hauses – übrigens ein bequemes, gepflegtes Haus – seine Neugier besonders reizte. Es handelte sich um Mrs Denmans Wohnzimmer.
    Nicht dass es eine besondere Ausstrahlung besaß. Soweit Mr Sattersway es beurteilen konnte, besaß Mrs Denman keine Persönlichkeit. Er hatte noch nie eine Frau getroffen, die so farblos war wie sie. Sie war eine gebürtige Russin. John Denman hatte sich beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Russland aufgehalten und dann bei den russischen Truppen gekämpft. In den Wirren der Revolution wäre er beinahe umgekommen. Er brachte eine Russin nach England mir, ein Flüchtlingsmädchen ohne Geld. Gegen den Willen seiner Eltern hatte er sie geheiratet.
    Mrs Denmans Wohnzimmer war in keiner Weise bemerkenswert. Es war solide eingerichtet, mit stabilen Hepplewhite-Möbeln, und besaß eher eine maskuline Note als weiblichen Charme. Nur ein Gegenstand passte nicht zu der übrigen Einrichtung: ein chinesischer Lackwandschirm in hellem Gelb und blassem Rosa. Jedes Museum hätte sich glücklich geschätzt, ihn zu besitzen. Es war ein seltenes und schönes Sammlerstück!
    In diesem würdevollen englischen Zimmer wirkte er völlig fehl am Platz. Der Wandschirm hätte der Mittelpunkt eines Raumes sein müssen, um den herum sich alle übrigen Dinge harmonisch gruppierten. Und doch konnte Mr Sattersway den Denmans nicht vorwerfen, sie besäßen keinen Geschmack, denn das übrige Haus war perfekt eingerichtet.
    Er schüttelte

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