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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Aspasia Glen hinüber.
    »Ich persönlich halte es sehr wohl für möglich«, sagte er ruhig. »Ich glaube, dass sie die Anlagen zu einer großartigen Schauspielerin hatte.«
    »Es gibt aber einen Punkt, den Sie noch nicht geklärt haben«, sagte Frank Bristow. »Auf dem Boden des Terrassenzimmers hätten Blutspuren sein müssen. So schnell hätte man sie wohl kaum beseitigen können.«
    »Nein«, gab Mr Sattersway zu, »aber etwas anderes konnten sie tun – eine Sache, die nur wenige Sekunden Zeit beanspruchte: Sie konnten den Buchara über die Blutspuren legen. Kein Mensch dürfte gesehen haben, dass der Buchara schon vorher im Terrassenzimmer gelegen hatte, nicht wahr?«
    »Ich glaube, Sie haben Recht«, sagte Monckton. »Aber irgendwann mussten die Blutflecken trotzdem beseitigt werden.«
    »Ja«, sagte Mr Sattersway, »mitten in der Nacht. Eine Frau ging um diese Zeit mit einem Krug und einer Schüssel hinunter und wischte die Blutspuren auf, ohne dass es auffiel.«
    »Und wenn sie dabei gesehen worden wäre?«
    »Das wäre bedeutungslos gewesen«, sagte Mr Sattersway. »Außerdem spreche ich jetzt von dem, was tatsächlich geschah. Ich sagte ausdrücklich: eine Frau mit einem Krug und einer Schüssel. Wenn ich jedoch von einer weinenden Frau mit einem silbernen Krug gesprochen hätte, wäre das der Eindruck gewesen, den irgendein Beobachter gehabt hätte.« Er erhob sich und ging zu Aspasia Glen hinüber. »So war es doch, nicht wahr?«, sagte er. »Man nennt Sie heute die Frau mit der Schärpe, und damals spielten Sie Ihre erste Rolle: die weinende Frau mit dem silbernen Krug. Deswegen haben Sie gerade eben auch die Kaffeetasse vom Tisch gestoßen. Sie bekamen es mit der Angst, als Sie das Bild sahen. Sie glaubten, irgendjemand wisse Bescheid.«
    Anklagend streckte Lady Charnley ihre Hand aus.
    »Monica Ford«, rief sie. »Jetzt erkenne ich sie wieder!«
    Aspasia Glen sprang auf. Mit einer Handbewegung schob sie den kleinen Mr Sattersway beiseite und blieb bebend vor Mr Quin stehen.
    »Also habe ich doch Recht gehabt! Einer hat es tatsächlich gewusst! Oh, dieses dumme Getue hat mich nicht täuschen können. Diese angeblichen Überlegungen und Folgerungen.« Sie zeigte auf Mr Quin. »Sie sind damals da gewesen. Sie waren es, der draußen vor dem Fenster stand und hereinsah. Sie haben gesehen, was wir machten – wir, Hugo und ich. Ich habe genau gewusst, dass jemand hereinsah. Die ganze Zeit hatte ich es gespürt. Aber als ich den Kopf hob, war niemand zu sehen. Ich wusste, dass wir beobachtet wurden. Einmal dachte ich, ich hätte gesehen, wie am Fenster ein Gesicht auftauchte. Die ganzen Jahre hat es mich gequält. Und dann sah ich das Bild, auf dem Sie am Fenster stehen, und ich erkannte Ihr Gesicht wieder. Sie haben es also die ganzen Jahre gewusst. Warum brechen Sie jetzt das Schweigen? Das möchte ich gern noch wissen!«
    »Vielleicht, damit der Tote in Frieden ruhen kann«, sagte Mr Quin. Plötzlich drehte Aspasia Glen sich um und rannte zur Tür; dort blieb sie einen Augenblick stehen und rief herausfordernd: »Macht meinetwegen, was ihr wollt! Für das, was ich eben gesagt habe, gibt es jetzt weiß Gott genügend Zeugen. Aber mir ist alles egal – alles. Ich habe Hugo geliebt und ihm bei dieser widerlichen Sache geholfen; später hat er mich dafür hinausgeworfen. Letztes Jahr ist er gestorben. Ihr könnt die Polizei ruhig auf meine Spur setzen, wenn ihr wollt – aber denkt daran, was dieser kleine Mann gesagt hat: Ich bin eine ziemlich gute Schauspielerin. Sie werden es nicht leicht haben, mich zu finden!« Krachend schlug die Tür hinter ihr zu, und einen Augenblick später hörten sie auch, dass die Haustür zugeschlagen wurde.
    »Reggie«, rief Lady Charnley. »Reggie!« Die Tränen liefen ihr über das Gesicht. »Oh, mein Lieber, mein Lieber – jetzt kann ich nach Charnley zurück. Jetzt kann ich mit Dick dort wohnen. Ich kann ihm erzählen, was sein Vater war: der feinste, der großartigste Mann der Welt!«
    »Wir sollten ernsthaft beraten, was in dieser Angelegenheit unternommen werden muss«, sagte Monckton. »Alix, meine Liebe, wenn du erlaubst, dass ich dich jetzt nachhause bringe, würde ich wegen dieser Sache gern noch ein paar Worte mit dir wechseln.«
    Lady Charnley erhob sich. Sie kam zu Mr Sattersway, legte beide Hände auf seine Schultern und küsste ihn flüchtig.
    »Wenn man so lange tot war, ist es wunderbar, wieder zu leben«, sagte sie. »Es war, als wäre ich tot, verstehen

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