Der seltsame Mr Quin
und deutsch vorgebrachter Entschuldigungen, weil ihm in der Eile keine spanischen Worte einfielen. Er sei bestürzt und beschämt, erklärte er hastig. Die Signora müsse ihm vergeben. Worauf er sich hastig entfernte, ohne dass die Frau etwas gesagt hatte.
Als er halb durch den Garten war, rief sie ein paar Worte hinter ihm her, die Mr Sattersway wie Pistolenschüsse in den Ohren klangen: »Kommen Sie zurück!«
Es war ein Befehl, wie man ihn etwa einem Hund gibt, doch es schwang soviel Autorität darin mit, dass Mr Sattersway sich hastig umwandte und automatisch zurücktrottete, ehe sich überhaupt ein Gefühl des Protests in ihm regte. Er gehorchte wie ein Hund.
Die Frau stand immer noch bewegungslos da. Ruhig musterte sie ihn von Kopf bis Fuß.
»Sie sind Engländer«, sagte sie. »Das dachte ich mir.«
Mr Sattersway entschuldigte sich erneut, diesmal auf Englisch. »Wenn ich gewusst hätte, dass Sie Engländerin sind«, meinte er, »hätte ich Ihnen mein Verhalten besser erklären können. Ich möchte mich von ganzem Herzen für mein ungehobeltes Benehmen entschuldigen. Ich fürchte, es gibt keine Erklärung dafür, nur unverzeihliche Neugier. Ich wünschte mir so sehnlich zu wissen, wie es im Innern des Hauses aussieht.«
Plötzlich lachte sie, ein tiefes, herzliches Lachen. »Wenn Sie es wirklich wissen möchten«, sagte sie, »dann kommen Sie lieber herein.«
Sie trat zur Seite, und Mr Sattersway machte aufgeregt ein paar Schritte in das Zimmer: Es war dunkel, da die übrigen Läden geschlossen waren, doch er konnte erkennen, dass es nur spärlich und eher schäbig möbliert war und überall Staub lag.
»Dieses Zimmer bewohne ich nicht«, sagte die Frau.
Sie schritt ihm voran, und Mr Sattersway folgte ihr, aus dem Zimmer und durch einen Gang in einen anderen Raum. Die Fenster gingen aufs Meer, und die Sonne schien herein. Auch hier waren die Möbel nicht von besserer Qualität, doch ein paar abgetretene Teppiche lagen da, die einmal sehr schön gewesen waren, ein großer Wandschirm aus Leder stand an der einen Wand, und überall gab es Blumen in schönen Vasen.
»Sie trinken doch Tee mit mir«, sagte Mr Sattersways Gastgeberin und fügte beruhigend hinzu: »Er ist sehr gut.«
Sie ging hinaus und rief etwas auf Spanisch. Dann kehrte sie zurück und setzte sich auf ein Sofa, dem Gast gegenüber. Zum ersten Mal hatte Mr Sattersway Gelegenheit, sie sich genauer anzusehen.
Sie war eine starke Persönlichkeit, und er kam sich bei ihrem Anblick noch grauer und vertrockneter und älter vor als gewöhnlich. Sie war groß, braun gebrannt, dunkel und hübsch, wenn auch nicht mehr jung. Seit sie wieder im Zimmer war, schien die Sonne zweimal so hell zu strahlen, und plötzlich durchrieselte Mr Sattersway ein seltsames Gefühl von Wärme und Lebendigkeit. Sie besaß so viel Vitalität, dachte er, dass sie davon noch eine Menge für andere Leute übrig hatte.
Ihm fiel ihre energische Stimme wieder ein, und er wünschte, dass sein Schützling Olga etwas von dieser Kraft besäße. Was für eine Isolde sie abgeben würde!, dachte er. Und doch hat sie vermutlich nicht den Schatten einer Singstimme. Wie schlecht im Leben alles verteilt war. Trotzdem fürchtete er sich etwas vor ihr. Er mochte keine beherrschenden Frauen.
Während sie so dasaß, hatte sie ihn unverhohlen gemustert. Dann nickte sie, als habe sie sich ein Urteil gebildet.
»Ich bin froh, dass Sie gekommen sind«, sagte sie. »Ich brauche dringend jemand, mit dem ich mich unterhalten kann. Und Sie sind an so etwas gewöhnt, nicht wahr?«
»Ich verstehe Sie nicht ganz.«
»Dass die Leute Ihnen etwas erzählen. Sie wissen genau, was ich meinte. Warum geben Sie es nicht zu?«
»Nun… vielleicht…«
Sie sprach weiter, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob er noch etwas sagen wollte oder nicht. »Man kann Ihnen alles erzählen. Weil Sie sich in eine Frau hineinversetzen können. Sie wissen, wie wir fühlen, was wir denken, was für komische Dinge wir manchmal tun.«
Sie schwieg. Ein großes, lächelndes spanisches Mädchen brachte den Tee herein. Er schmeckte ausgezeichnet – es war chinesischer –, und Mr Sattersway trank ihn mit Genuss.
»Wohnen Sie hier?«, fragte er unverbindlich.
»Ja.«
»Aber nicht ständig. Gewöhnlich ist das Haus leer. Jedenfalls hat man mir das erzählt.«
»Ich bin viel hier, mehr als man annimmt. Ich bewohne nicht alle Räume.«
»Gehört Ihnen die Villa schon lange?«
»Seit mehr als zwanzig Jahren. Davor habe
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